ONE: „Marshall Plan mit Afrika“ ist ambitionierte Absichtserklärung, die mit Leben gefüllt werden muss
Berlin, 18. Januar 2017. Die entwicklungspolitische Organisation ONE begrüßt den heute veröffentlichten „Marshall Plan mit Afrika“ als ambitionierten Entwurf, um die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika auf eine neue Grundlage zu stellen. Den partnerschaftlichen Ansatz, ein integriertes Gesamtkonzept der Europäischen und der Afrikanischen Union unter Einbeziehung der G20-Staaten und der interessierten Öffentlichkeit zu entwickeln, bewertet ONE positiv. Weiter ist es erfreulich, dass das Papier die zentrale Rolle der Stärkung von Mädchen und Frauen herausstellt und die Bedeutung von illegalen Finanzabflüssen als Entwicklungshemmnis klar benannt wird – auch wenn hier noch Nachbesserungsbedarf besteht. ONE weist zudem nachdrücklich darauf hin, dass eine Ausweitung der Kooperation mit reformbereiten afrikanischen Staaten unter keinen Umständen weniger – teils lebensrettende – Hilfe bedeuten darf für Menschen in Ländern, deren Regierungen sich weniger kooperativ zeigen. Die deutsche Bundesregierung sollte ihre Entwicklungszusammenarbeit mit fragilen und am wenigsten entwickelten Ländern ausbauen und verstärkt in Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft und die Stärkung der Steuersysteme investieren. Es darf zudem nicht passieren, dass Entwicklungsgelder hauptsächlich zur Förderung von Privatinvestitionen eingesetzt werden.
Stephan Exo-Kreischer, Deutschland-Direktor von ONE, sagt: „Der Marshall Plan ist ein positives Signal, dass die Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika auf eine neue Grundlage stellen will. Die Notwendigkeit, ressortübergreifend und insbesondere in Partnerschaft mit der Afrikanischen Union zu handeln, wird klar benannt. Entscheidend wird letztlich sein, wie viel politische Unterstützung der Vorstoß erfahren wird. Ich begrüße, dass das Papier nun einem offenen Konsultationsprozess unterzogen wird und die Ergebnisse in den G20-Prozess aufgenommen werden sollen. Im Hinblick auf die geplanten Compacts with Africa ist es zentral, nicht nur solche Länder in den Blick zu nehmen, die für Investoren ohnehin schon attraktiv sind, sondern auch dafür zu sorgen, dass die am wenigsten entwickelten Länder nicht noch weiter zurückfallen.“ Zu Subsahara-Afrika gehören 49 Staaten, 34 davon zählen zu den am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. 23 von ihnen hat die OECD als fragile Staaten klassifiziert. Fragile Staaten weisen oft ein höheres Maß an Armut, politischer Instabilität und sozialer Ungleichheit auf.
Reformpartnerschaften dürfen am wenigsten entwickelte Länder nicht weiter zurückfallen lassen
Mit Blick auf die angekündigten „Reformpartnerschaften“, mit denen reformbereite Staaten besondere Unterstützung erhalten sollen, sagt Exo-Kreischer: „Über 40 Prozent der Menschen in extremer Armut leben in fragilen Staaten, viele davon liegen in Afrika. Bis 2035 könnte dieser Anteil auf 80 Prozent anwachsen. Wir beobachten den Trend, dass sich extreme Armut in Zukunft immer mehr in einigen Ländern konzentriert, die immer weniger Chancen haben, die Entwicklungsziele zu erreichen. Diese Staaten haben häufig Reformwillen, aber sind zu fragil, um Reformen durchführen zu können. Hier Entwicklung zu fördern, Stabilität herzustellen und letztlich Jobs zu schaffen für die vielen jungen Menschen, liegt im Interesse beider Kontinente und muss einen Platz viel weiter oben auf der Agenda des Afrikajahres 2017 erhalten.“ Er fügt an: „Reformwillen zu fördern ist gut und wichtig, doch die klassische Entwicklungshilfe für die Menschen, die sie dringend benötigen, darf unter gar keinen Umständen darunter leiden.“
Entwicklungshilfe zum Hebeln von Privatinvestitionen nicht auf Kosten der Ärmsten
Der Marshall-Plan erwähnt an verschiedenen Stellen, dass die offizielle Entwicklungshilfe verstärkt zu Mobilisierung von Privatinvestitionen genutzt werden soll. Exo-Kreischer warnt: „Privatinvestitionen anzukurbeln ist zwar grundsätzlich der richtige Weg, doch dies darf nicht dazu führen, dass ohnehin schon knappe Ressourcen weiter reduziert werden. Entwicklungshilfe zum Hebeln von Privatinvestitionen sollte daher sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Eine Subventionierung internationaler Unternehmen mit Entwicklungsgeldern darf es nicht geben.“ Exo-Kreischer weiter: „Entwicklungshilfe für Afrika sollte vor allem auf dem afrikanischen Kontinent eingesetzt werden, investiert in die afrikanische Wirtschaft, in den Aufbau von Steuersystemen, in Programme zu Verbesserung von Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft und damit in die afrikanischen Menschen. Es ist gut, dass der Marschall-Plan die Notwendigkeit für mehr Entwicklungsmittel klar benennt. Deutschland sollte daher schnell das Ziel erreichen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.“
Nachbesserungen bei Steuertransparenz nötig
Obwohl der Marshall-Plan den illegalen Abfluss von Geldern aus Afrika benennt, fehlt ein Bekenntnis dazu, sich für wichtige Maßnahmen einzusetzen wie die Einführung von Gesetzen zur Steuertransparenz auf EU-Ebene. „Transparenz ist das beste Rezept für Entwicklung. Um die vielen Milliarden, die Afrika jährlich auf dunklen Kanälen verlassen, auf dem Kontinent zu behalten und für Entwicklung einsetzen zu können, sind bessere Transparenzvorschriften nötig. Wenn der Marshall-Plan, wie ausdrücklich erwähnt, die Grundlage für eine europäisch-afrikanische Strategie bilden soll, muss Deutschland bei sich selbst anfangen und darf entscheidende Gesetzte auf EU-Ebene nicht länger blockieren. Dazu gehört, sowohl ein öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen durchzusetzen als auch die Verpflichtung zu unterstützen, dass große multinationale Konzerne ihre Steuerdaten ländergenau offenlegen müssen,“ so Exo-Kreischer.