Unser Jugendbotschafter Josias hat dieses Jahr als Youth7 (Y7)-Delegierter die Stimme der Jugend im G7-Prozess repräsentiert. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen.
Der G7-Gipfel ist ein (in der Regel) jährliches Treffen der sieben Staats- und Regierungschef*innen Frankreichs, Italiens, Japans, Kanadas, des Vereinigten Königreichs, der USA, Deutschlands und der EU als zusätzliches Beobachtermitglied. Das nächste Treffen findet im Rahmen der rotierenden Präsidentschaft vom 26. bis 28. Juni 2022 in Elmau statt.
Um mehr Meinungen im G7-Prozess berücksichtigen zu können, beziehen die G7-Länder auch ihre Zivilgesellschaft mit ein. Neben Business7, Civil7, Labour7, Science7, Think7 und Women7 gibt es auch eine so genannte “Engagement Group” Youth7 (Y7), welche die Stimme der Jugend vertritt. Der gesamte Beteiligungsprozess liegt in den Händen von uns jungen Menschen. In diesem Jahr durfte ich Teil der EU-Delegation sein.
Den G7-Prozess inklusiver gestalten
Pro Land konnten vier junge Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren teilnehmen. Jedes Land sollte durch eine Person in einem der vier Themenbereiche vertreten sein: Klimaschutz, wirtschaftlicher Wandel, Resilienz von Demokratien und Gesundheit. Aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gab es ein zusätzliches Thema “Jugend, Frieden und Sicherheit”. Aufgrund meines Studiums sowie meiner Berufserfahrung und natürlich auch wegen meiner Tätigkeit als ONE-Jugendbotschafter durfte ich für die europäische Jugend den Themenbereich „wirtschaftliche Transformation für gemeinsamen Fortschritt“ vertreten.
Vier Monate Vorbereitungszeit
Beginnend mit einer Auftaktveranstaltung Ende Februar fanden wöchentliche Treffen innerhalb der einzelnen Arbeitsgruppen statt, um Themen zu diskutieren und gemeinsame Positionen zu erörtern. Angefangen mit einem Brainstorming, bei dem jede*r ihre*seine wichtigsten Themen nennen durfte, konnten langsam die wichtigsten Punkte festgelegt werden. Hierbei habe ich mich vor allem für die Bekämpfung globaler Ungleichheiten, Stärkung der ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmens- & Staatsführung), Förderung von nachhaltiger Finanzwirtschaft und fairen Wettbewerb eingesetzt. Bis zum Zwischenplenum wurde ein erster Entwurf zusammengefasst.
Der nächste Schritt war die Erarbeitung der Abschlusserklärung. Diese wurde im Vorfeld des Gipfels vorbereitet und schließlich in Berlin persönlich fortgesetzt. Begleitet wurde dies von interessanten Beiträgen von Expert*innen zu einzelnen Themen, wie dem Klimaclub, sozialen Sicherungssystemen und wirtschaftlicher Transformation. Besonders spannend für mich waren in dieser Phase die Diskussionen um einzelne Begrifflichkeiten, damit nationale Befindlichkeiten und Probleme Berücksichtigung finden. Dadurch durfte ich viele neue und andere Sichtweisen kennenlernen. Auch überrascht hat mich, dass teilweise Delegationen in den jeweiligen Heimatländern sehr genau beobachtet wurden, weshalb man gewissen Verhandlungsdruck verspürt hat.
Gemeinsamer Gipfel in Berlin
Der Gipfel selbst fand vom 16. bis 20. Mai in Berlin statt. Da die gesamte Organisation etwas kurzfristig war, war es umso eindrucksvoller, als ich das erste Mal am Ort des Geschehens angekommen bin und den hohen Aufwand begutachten durfte. Auf die Eröffnungsreden, u.a. von Frau Bettina Bundszus, Leiterin der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, folgten Podiumsdiskussionen zu Jugend, Frieden und Sicherheit, feministische Außenpolitik sowie zu der Macht von Bildung. Danach wurde die Arbeit am Abschlusskommuniqué in Etappen fortgesetzt, die teilweise bis spät in die Nacht andauerten und erst mit der Abstimmung am letzten Abend endeten.
Auf dem Programm standen auch ein Besuch von Familienministerin Lisa Paus, ein Besuch im Bundestag und ein Austausch mit Abgeordnet*innen sowie ein Austausch mit Mitarbeitenden des Auswärtigen Amtes. Höhepunkt und Schlusspunkt des Y7-Gipfels war die offizielle Übergabe des Kommuniqués an Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitagmorgen. Auf einer großen Tafel abgedruckt, wurde die Erklärung von den Vorsitzenden pressewirksam übergeben. Außerdem hatten wir nach einer Rede von ihm die Möglichkeit, dem Bundeskanzler vorab vereinbarte Fragen zu bestimmten Forderungen zu stellen. Die große Variation der Gesprächspartner*innen aus den Regierungskreisen fand ich sehr gelungen.
Ein starkes Kommuniqué mit klaren Forderungen als Vorlage für die G7
Es war nicht einfach, die verschiedenen Ansichten und Bedürfnisse in einem Kommuniqué zusammenzufassen. Dennoch wurden klare Forderungen formuliert und veröffentlicht. Was ich als sehr schwierig erachtet habe, war die begrenzte Wortzahl, die es unmöglich machte, Hintergrundinformationen, Erklärungen oder Umsetzungsstrategien einzubeziehen, was einige Passagen somit für viele schwer verständlich macht. Schließlich sind die Forderungen nicht frei erfunden, sondern beruhen oft auf gut recherchierten Fakten, Studien und Berechnungen.
Mit dem Ende des Y7-Gipfels hat nun die Lobbyarbeit bei den Entscheidungsträger*innen in den jeweiligen Ländern begonnen. Für die Delegation der Europäischen Union mit mir steht beispielsweise neben Treffen mit Europaabgeordnet*innen auch ein Treffen mit dem G7-Sherpa Frédéric Bernard im Rahmen von Lobbytagen in Brüssel an. Generell habe ich den Eindruck, dass seitens der Politiker*innen ein großes Interesse besteht, zumindest unsere Meinungen anzuhören und sich zu treffen.
Darüber hinaus sollen natürlich möglichst viele Menschen die Forderungen hören und vor allem die Jugend darüber informiert werden. Zu diesem Zweck werden Artikel geschrieben, Podcasts aufgenommen, Interviews geführt und Videos gedreht. Es lohnt sich also, auf den sozialen Medien vorbeizuschauen und unserer Arbeit zu folgen.
Ob und wie unsere Forderungen jedoch Gehör finden und inwieweit sie auch in der Abschlusserklärung berücksichtigt werden, wird Ende des Monats in Elmau entschieden. Bis dahin werden wir Jugenddelegationen weiter unserer Arbeit nachgehen und darauf aufmerksam machen. Ich bleibe gespannt.