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Was passiert im Sudan?

Aktuelles

Im Sudan spielt sich die größte humanitäre Krise der Welt ab. Verschiedene bewaffnete Gruppen und zwei Generäle kämpfen um die Macht – auf Kosten der Zivilbevölkerung. Wie konnte es soweit kommen? Und warum sind Frauen besonders gefährdet? 

+++ Triggerwarnung: In diesem Text geht es um sexualisierte Gewalt (mehr zu sexualisierter Gewalt hier). +++

Das Land

Der Sudan liegt im Nordosten Afrikas und ist seit den 1950er Jahren eine unabhängige Republik mit circa 45 Millionen Einwohner*innen. Die meisten sind Muslim*innen, die Amtssprache ist Arabisch. Es gibt viele verschiedene Landschaften, darunter Wüste, Savanne und Berge und mitten durch das Land fließt der Nil. Dort, an den fruchtbaren Ufern des Flusses, liegt die Hauptstadt Khartum. Viele Menschen leben von der Landwirtschaft und haben kein hohes Einkommen. Es gibt zu wenig Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, deshalb ziehen immer mehr Menschen in größere Städte. Im Osten leben viele Geflüchtete aus Eritrea, die ihre Heimat wegen sozialer Ausgrenzung und fehlender Arbeitsmöglichkeiten verlassen haben. Der Sudan ist stark vom Klimawandel betroffen, denn die Temperaturen steigen und es gibt immer häufiger Dürren, gefolgt von schweren Überschwemmungen. Das Land ist außerdem reich an Bodenschätzen wie Erdöl, Gold, Eisenerz, Marmor und Uran. Allerdings kommt es immer wieder zu Streit darüber, wem diese Rohstoffe gehören. Die Abspaltung des Südsudans vom Sudan im Jahr 2011 wurde unter anderem durch Konflikte um diese Ressourcen ausgelöst.

Tempelreste und Pyramiden von Meroe, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Foto: Flickr (anmede)

Der Konflikt: Kampf um Macht

Mitte April 2023 eskalierte der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen um die Macht im Sicherheitsbereich und damit über den Sudan. Im Zentrum des Kampfes stehen General Abdel Fattah al-Burhan und sein ehemaliger Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hermeti. Al-Burhan kontrolliert den Großteil der sudanesischen Armee (SAF) und wird von Ägypten und Saudi-Arabien mit Geld und Waffen unterstützt. Hermeti führt die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) an. Unterstützt wird er von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dutzende weitere Gruppen sind involviert und machen die Lage kompliziert und unübersichtlich. Besonders betroffen von der Gewalt ist die Region Darfur. Dort wird die Zivilbevölkerung vor allem von der RSF und ihr nahestehenden Milizen aufgrund ihrer Identität, also ihrer ethnischen Zugehörigkeit und Hautfarbe, angegriffen.

September 2024: Die aktuelle Lage

Vierzehn Millionen Menschen sind im Sudan auf der Flucht, so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Tausende Menschen sind gestorben oder verletzt. Etwa 25 Millionen Menschen hungern, also fast zwei Drittel aller Sudanes*innen. Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen, Wasserreservoirs und die Energieversorgung werden angegriffen oder sind bereits zerstört. In den Konfliktregionen kommt es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die Geflüchtete und die lokale Bevölkerung gleichermaßen treffen. Lokale Organisationen oder Nachbarschaftskomitees leisten den Großteil der humanitären Arbeit, oft bestehen sie aus Frauen. Auf einer Konferenz in Paris im April 2024 haben westliche Staaten Hilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro zugesagt. Aber das reicht nicht, um die Menschen im Sudan und in den Nachbarländern, in die viele geflohen sind, zu unterstützen. Internationale Friedensinitiativen sind bisher gescheitert.

Die sudanesische Savanne bei Khartum. Foto: Flickr (Rita Willaert)

Hintergrund: Demokratiebewegung und Militärputsch

Die Region Nordostafrika wird seit Jahrzehnten von gewalttätigen Auseinandersetzungen erschüttert. Es geht um die Macht in der Region, Streit um Rohstoffe, ethnische und religiöse Konflikte und die Folgen des Klimawandels. 30 Jahre lang hat Ex-Präsident Omar al-Bashir das Land mit harter Hand regiert. Dann, Ende 2018, Anfang 2019, protestierten große Teile der Bevölkerung gegen steigende Lebensmittelpreise, Korruption und den langjährigen Diktator. Daraufhin setzte das Militär al-Bashir ab und eine zivile Regierung sollte gebildet werden. Doch die Demokratiebewegung war nicht bereit, die Regierungsgewalt zu übernehmen. 2021 putschten sich al-Burhan und Hermeti an die Macht. Dann kam es nach monatelangen Spannungen zwischen der sudanesischen Armee und der paramilitärischen RSF zum Krieg. Trotzdem protestiert die Bevölkerung seit 2021 weiter gegen die Macht des Militärs.

Die Hungersnot in Darfur

Der Konflikt hat die weltweit größte Nahrungsmittelkrise ausgelöst. Anfang August 2024 zeigen Analysen zur Ernährungssicherheit im Sudan, dass in Teilen von Nord-Darfur eine Hungersnot herrscht. Sie ist die schlimmste Form einer Ernährungskrise. Eine Hungersnot wurde in den letzten 40 Jahren nur vier Mal ausgerufen, zuletzt 2017 im Südsudan. Die Hälfte der vom Krieg betroffenen Menschen im Sudan muss täglich darum kämpfen, sich und ihre Familien zu ernähren. Wegen der Gewalt sind auch viele Schulen, also Orte, an denen Kinder oft eine warme Mahlzeit bekommen, geschlossen.

Foto einer Wüstenlandschaft in der Region Darfur mit einem auf einem Kamel reitenden Hirten und einer Herde Ziegen.
Ein Darfuri mit seiner Ziegenherde. Foto: Flickr (EU/ECHO)

Frauen im Sudan

Während der Protestbewegung 2018/2019 waren mehr als die Hälfte der Demonstrierenden Frauen. Sie kämpften für Demokratie und Emanzipation, vernetzten sich und prangerten sexuelle Übergriffe an. Nach dem Sturz al-Bashirs wurden ihre Stimmen bei den Verhandlungen übergangen, auch von der internationalen Gemeinschaft. Bei den aktuellen Bemühungen um Friedensgespräche sind auf sudanesischer Seite keine Frauen vertreten. Frauen leiden besonders stark unter dem aktuellen Konflikt. Sie versorgen ihre Familien, ob zu Hause oder auf der Flucht. Sexualisierte Gewalt, insbesondere Vergewaltigungen, werden seit Beginn des Konflikts als Kriegswaffe eingesetzt. Frauen werden auch gefangen genommen oder als Sklavinnen verkauft. Nicht nur sudanesische Frauen, sondern auch ethnische Minderheiten sind von sexualisierter Gewalt betroffen. Außerdem ist es eine Strategie der RSF, sich in den Häusern von Zivilist*innen zu verschanzen und von deren Dächern ihre Flugabwehrraketen abzuschießen. Der private Raum ist im Sudan traditionell ein Schutzraum für Frauen. Die RSF nimmt ihn den Frauen gezielt weg. Dass Gewalt gegen Frauen heute in diesem Ausmaß möglich ist, liegt unter anderem daran, dass die internationale Gemeinschaft und zivile sudanesische Politikerinnen in der Vergangenheit zu sexualisierter Gewalt geschwiegen haben.

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