Vergangene Woche veröffentlichte das Handelsblatt einen Gastkommentar des Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Familienunternehmen, Brun-Hagen Hennerkes. Er kritisierte eine aktuelle Forderung des EU-Parlaments, ein EU-weites Register über die wirtschaftlich berechtigten Eigentümer von Unternehmen und Trusts öffentlich zugänglich zu machen. Das wird gerade im Zuge der Novellierung der vierten Geldwäscherichtlinie diskutiert. Hennerkes argumentiert, diese Form von Transparenz sei ineffektiv und schädlich für rechtschaffende deutsche und europäische Unternehmen. Außerdem sprach er sich gegen eine öffentliche ländergenaue Berichterstattung von Steuerdaten großer multinationaler Unternehmen aus.
Wir können das nicht so stehen lassen und haben seine Behauptungen genauer unter die Lupe genommen:
Behauptung 1: Öffentliche Register stellen Unternehmen an einen „mittelalterlichen Pranger“
Hennerkes argumentiert, ein öffentlich zugängliches Transparenzregister stelle unschuldige Unternehmen unter Generalverdacht, in illegale Aktivitäten verwickelt zu sein. Dabei ist die transparente Darstellung von Eigentumsverhältnissen im ureigenen Interesse von Unternehmern. Ein öffentliches Register schafft für Unternehmer Klarheit darüber, mit wem man Geschäfte macht – das minimiert Risiken und schafft ein stabileres Geschäftsumfeld (dazu hat das „B Team“ bereits 2015 einen spannenden Bericht veröffentlicht).
Darüber hinaus erhöht Korruption die Geschäftskosten weltweit um durchschnittlich 10 Prozent. Maßnahmen, die Korruption effektiv bekämpfen, haben eindeutig positive finanzielle Effekte für Unternehmen.
Forderungen nach mehr Transparenz sind deshalb alles andere als mittelalterlich – die effektive Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist heute dringender und aktueller denn je.
Behauptung 2: Öffentliche Register sind unnötig und höhlen die staatliche Autorität aus
Hennerkes bezweifelt einen Zusammenhang zwischen öffentlichem Zugang zu Registern und effektiver Geldwäschebekämpfung. Die Öffentlichkeit sei nicht in der Lage, die Ermittlungsbehörden zu ersetzen. Darüber hinaus sieht er die staatliche Autorität in Gefahr, wenn die „Allgemeinheit mit der Durchsetzung der Rechtsordnung beauftragt wird“.
Es steht außer Frage, dass Privatpersonen, NGOs oder Journalisten die staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht ersetzen können. Es ist jedoch ebenso unstrittig, dass die Nachforschungen von NGOs, Journalisten und Einzelpersonen bei vergangenen Enthüllungen wie den Panama Papers eine zentrale Rolle gespielt haben – sie ersetzen nicht die Strafverfolgung, sondern unterstützen die staatlichen Behörden durch eigene investigative Aktivitäten und können wichtige Hinweise liefern. Steigt die Zahl der Personen, die Informationen einsehen können, so steigt auch die Chance, dass Unregelmäßigkeiten erkannt und nachverfolgt werden – das Vielaugenprinzip hat also auch eine abschreckende Wirkung. Zusätzliche Hinweise aus der Zivilgesellschaft stärken die Effektivität der staatlichen Strafverfolgung, anstatt sie auszuhöhlen.
Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Arbeit des Teams von Global Witness: Sie haben Daten aus dem britischen Open Data Register analysiert. An nur einem Wochenende konnten sie so fast 3,000 Unternehmen identifizieren, die als ihren wirtschaftlich Berechtigten eine Firma in einer Steueroase angegeben hatten. Darüber hinaus waren auch 76 wirtschaftlich Berechtigte, die den gleichen Namen und das gleiche Geburtsdatum wie Personen auf der Sanktionsliste der USA haben. Diese Informationen werden aktuell von den britischen Behörden ausgewertet.
Auf unserer Follow the Money-Map haben wir Beispiele aus der ganzen Welt zusammengetragen, in denen die Zivilgesellschaft zum Teil milliardenschwere Beträge für ihre nationalen Haushalte wiedergewinnen konnte. Wer die Zivilgesellschaft im Kampf gegen Korruption ausschließt, tut korrupten Akteuren einen großen Gefallen.
Behauptung 3: Öffentliches Country-by-Country-Reporting verrät Geschäftsgeheimnisse
Zusätzlich zu den Transparenzregistern sorgt sich Hennerkes auch um die ländergenaue Berichterstattung von Steuerdaten großer multinationaler Unternehmen (Country-by-Country Reporting, kurz CBCR). Dies sei ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen. Allerdings enthalten diese Berichte gar keine wirtschaftlich sensiblen Daten– das hat Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach bestätigt. Denn in Deutschland müssen Firmen bereits jetzt gemäß §325 HGB die Jahresberichte für ihre Geschäftstätigkeit in Deutschland im Unternehmensregister veröffentlichen. Das sind die gleichen Steuerdaten, allerdings nur für die Tätigkeit innerhalb der deutschen Grenzen.
Ein öffentliches europaweites (und im Idealfall bald weltweites) CBCR hieße lediglich, dass große multinationale Unternehmen ihre Berichterstattung auf die Geschäftstätigkeit in anderen Ländern ausweiten. Für kleinere Unternehmen, die nur in Deutschland arbeiten, wäre es also eine Gleichstellung, wenn die großen multinationalen Konzerne genau wie sie ihre gesamten Daten offenlegen müssten.
Das Ziel von ONEs Arbeit ist es, extreme Armut, Hunger und vermeidbare Krankheiten zu beenden. Dafür ist der Kampf gegen Korruption unerlässlich. Jedes Jahr fließen aus Entwicklungsländern eine Billion US-Dollar durch illegale Aktivitäten wie Geldwäsche ab. Bliebe dieses Geld auf dem Kontinent und rechtmäßig versteuert, stünden zusätzliche Mittel für Gesundheits- und Bildungssysteme zur Verfügung, die Millionen Todesfälle verhindern könnten, und insbesondere den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft zugute kämen (genaueres könnt ihr hierzu in unserem Bericht ‚Der Billionen-Dollar Skandal‘ nachlesen).