Im März 2020 berichtet die UNESCO, dass der schulische Bildungsweg von knapp 3 Millionen Schülerinnen und Schülern aufgrund der Covid-19-Pandemie unterbrochen war, nachdem in 13 Länder die Schulen geschlossen wurden. Im April 2020 hatten weltweit 194 Länder Schulschließungen angeordnet. Davon waren 91 Prozent aller Schülerinnen und Schüler betroffen – insgesamt 1,6 Milliarden Kinder weltweit.
Eine Unterbrechung des laufenden Schuljahrs kann schwerwiegende Folgen haben. Schon ein dreimonatiger Unterrichtsausfall kann Jahre später eineinhalb Jahren verpasstem Unterricht entsprechen. Von diesen Folgen der Corona-Pandemie sind Jungen und Mädchen im Schulalter rund um den Globus betroffen.
Leider wirkt sich dieser Bildungsverlust auf Mädchen deutlich stärker aus. Nicht nur während der coronabedingten Schulschließungen, sondern auch danach. Denn tatsächlich geht eine Studie des Malala Fund davon aus, dass infolge der Pandemie 20 Millionen Mädchen in Entwicklungsländern nie wieder ins Klassenzimmer zurückkehren werden.
Weltweite Schulschließungen
Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie wurden in fast 90 Prozent aller Länder weltweit die Schulen geschlossen. In schätzungsweise 92 Ländern werden die Schulen auch im Oktober 2020 aufgrund von Corona noch geschlossen bleiben. Ein eingeschränkter Regelbetrieb wird in 51 Ländern vorhergesehen.
In den USA werden Schüler*innen voraussichtlich im Herbst 2020 wieder den Unterricht besuchen – mit einem Kompetenzstand von 63 bis 68 Prozent im Lesen und einem Kompetenzstand von 37 bis 50 Prozent in Mathematik im Vergleich zu einem gewöhnlichen Schuljahr. Im Rest der Welt ist die Situation womöglich noch schlimmer.
Schon vor Beginn der Corona-Pandemie befanden wir uns in einer weltweiten Bildungskrise: 53 Prozent der Kinder aus Ländern mit vergleichsweies niedrigem und mittlerem Einkommensniveau waren „im Alter von zehn Jahren nicht in der Lage, einfache Texte zu lesen und zu verstehen“. Dieses Phänomen ist als Bildungsarmut bekannt.
Ungleicher Zugang zu Fernunterricht
Auch die digitale Bildungskluft könnte sich durch Corona noch vergrößern. Die steigende Armutsquote hat den Zugang zu Medien und dem Internet in zahlreichen Ländern erschwert. Internetzugang ist dort häufig nur noch in städtischen Gebieten möglich. Das bedeutet auch, dass Schüler*innen in Regionen, in denen der Internetzugang beschränkt ist, häufig nicht am Fernunterricht teilnehmen können. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara etwa haben fast 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler zu Hause keinen Zugang zu einem Computer; davon können 82 Prozent können nicht einmal das Internet nutzen.
Weltweit sind Mädchen aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen von diesen Folgen am stärksten betroffen, da sie keinen Zugang zu hochwertiger Bildung und Fernunterricht haben. Dementsprechend könnten sie jetzt und in der Zukunft überproportional stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sein.
Ein altbekanntes Problem
Vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie war die Zahl der Mädchen, die keine Schule besuchten, innerhalb der letzten 20 Jahren weltweit um 79 Millionen gesunken. Dies war das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, mehr Mädchen den Schulbesuch zu ermöglichen und Bildungsungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen. Durch die aktuelle Corona-Pandemie sind all diese Fortschritte jedoch in Gefahr.
Schon in früheren Gesundheitskrisen haben wir gesehen, welche Auswirkungen Schulschließungen auf die Bildung von Mädchen haben kann. Während der Ebolafieber-Epidemie 2014 bis 2015 wurden über 10.000 Schulen in Guinea, Sierra Leone und Liberia geschlossen – fast 5 Millionen Schulkinder waren davon betroffen. Als die Schulen schließlich wiedereröffnet wurden, hatten die Schülerinnen und Schüler insgesamt etwa 1.848 Unterrichtsstunden verpasst.
Die Folgen waren für Mädchen besonders gravierend. Schon vor Ausbruch der Ebola-Epidemie hatten Mädchen im Schulalter in Guinea durchschnittlich nur 9 Monate lang eine Schule besucht – bei den Jungen waren es im Durchschnitt 2,7 Jahre. In Sierra Leone erhielten Mädchen eine Schulbildung von durchschnittlich 1,8 Jahren, während Jungen im Durchschnitt vier Jahre zur Schule gingen.
Was sind die Auswirkungen?
Im Zuge der Covid-19-Pandemie werden die Auswirkungen auf die Bildung von Mädchen und Jungen voraussichtlich noch ungleicher ausfallen. Ein sechsmonatiger Schulausfall hat vor allem für Mädchen in Ländern mit vergleichsweise niedrigem und mittlerem Einkommensniveau erhebliche Folgen. Denn tatsächlich könnte sich dadurch ihre Schulzeit halbieren. Diese Mädchen würden also nur die Hälfte der Schulbildung bekommen wie unter normalen Bedingungen.
Im Zuge der langfristigen Folgen von Corona kann die geschlechtsspezifische Bildungsungleichheit zunehmen. Dies geschieht aufgrund der in Pandemiezeiten untergeordneten Stellung von Bildung. Während der Ebolafieber-Epidemie wurden viele Mädchen in Liberia zu den Alleinverdienenden ihrer Familien. Selbst nach der Krise hatte dies für diejenigen, die zuvor auf eine Schule gegangen waren, Folgen für den Schulbesuch – die Versorgung der Familie war wichtiger geworden als die Teilnahme am Unterricht.
Die Corona-Krise könnte sich noch drastischer auf die Bildung von Mädchen auswirken: Selbst nach Ende der Pandemie könnten potenziell 20 Millionen Mädchen dem Unterricht dauerhaft oder endgültig fernbleiben.
Wenn die Politik jetzt entschlossen handelt, können diese Folgen jedoch abgemildert werden.
Bildungskluft verhindern
Durch ein sofortiges und entschlossenes Handeln kann die Politik die Folgen der Corona-Pandemie auf die Bildung von Mädchen abmildern. Regierungen müssen in ihren Plänen zur Wiedereröffnung von Schulen geschlechtsspezifische Faktoren berücksichtigen und sicherstellen, dass Mädchen die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, um auch zu Hause weiter zu lernen.
Die Jungen und Mädchen von heute sind die Zukunft. Die Politik muss jetzt entschieden handeln. Durch Investitionen und gleichberechtigte Förderung der Bildung beider Geschlechter kann ein entschiedener Beitrag dazu geleistet werden, dass wir alle gestärkt aus dieser Pandemie hervorgehen.