Seit über einem Jahr leben wir nun mit dem Corona-Virus. Ein Jahr, in dem wir unsere Kontakte auf das Minimum reduzieren mussten, Schulen und Büros oft geschlossen blieben und unser Leben auf dem Kopf stand. Aber auch ein Jahr, in dem große Versprechen gemacht wurden: Impfstoffe müssen entwickelt werden, die allen Menschen überall zur Verfügung stehen – sozusagen Impfstoffe für die Welt.
Jetzt, da diese Impfstoffe gefunden wurden, hat die versprochene globale Solidarität starke Risse bekommen. Während sich Industrieländer mehr Impfdosen gesichert haben als nötig, gehen Länder im Globalen Süden weiterhin leer aus. Wir geben euch ein Update, wann, wo und wie bereits geimpft wird und wie wir einen gerechten und globalen Zugang zu Impfstoffen für alle Menschen voranbringen können.
Ein Blick auf die Weltkarte – Länder in Subsahara-Afrika gehen leer aus
Werfen wir einen Blick auf die Weltkarte, stellen wir fest: Während sich reiche Länder wie Israel und Großbritannien als Musterschüler in Massenimpfungen hervortun, laufen die COVID-19-Impfungen in Subsahara-Afrika erst in wenigen Ländern langsam an. Dabei konnten die meisten Dosen bisher in Südafrika geimpft werden. Dort wurden mittlerweile über 220.000 Impfdosen verabreicht (Stand: 26. März 2021), bei einer Einwohnerzahl von knapp 60 Millionen Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland leben 83,1 Millionen Menschen und hierzulande konnten bereits 11,75 Millionen Dosen (Stand: 26. März 2021) verimpft werden.
Setzt sich dieser Trend fort, könnten Impfstoffe in allen afrikanischen Staaten erst 2022 für die allgemeine Bevölkerung verfügbar sein – für einen Großteil der Länder sogar erst zwischen April 2022 und 2023.
Industrieländer horten über eine Milliarde Impfdosen
Reichen Ländern gelang es bereits mit Beginn der Pandemie, Verträge mit Impfstoffherstellern zu schließen und sich so eine große Zahl an Impfdosen zu sichern. Konkret haben sich die Mitgliedsstaaten der EU, Kanada, Japan, das Vereinigte Königreich, Australien und die USA drei Milliarden Impfdosen der führenden Impfstoffhersteller gesichert. Im Gegensatz hierzu stehen die vereinbarten Impfdosen der restlichen Staaten. Sie konnten sich bei den Herstellern BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Johnson & Johnson und Novavax gerade einmal 2,5 Milliarden Dosen sichern.
Gemessen an ihrer Bevölkerungsgröße, können die EU, Kanada, Japan, Australien, die USA und das Vereinigte Königreich alle ihre Bürger*innen mit den vorgeschriebenen zwei Impfungen versorgen und es bliebe dennoch ein Überschuss von über einer Milliarde Impfdosen. Allein diese überschüssigen Dosen würden ausreichen, um beispielsweise die gesamte erwachsene Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent zu impfen. Wird der Berechnung zugrunde gelegt, dass sich aufgrund der Impfskepsis in etwa nur 75% der Bevölkerung in der EU, UK, USA, Kanada, Japan und Australien impfen lassen werden, blieben gar 1,7 Milliarden Impfdosen übrig.
Impfstoffüberschüsse teilen – Eine Frage der Menschlichkeit
Lobend sei an dieser Stelle festgehalten, dass die Bundesregierung mit ihrer Zusage von 1,5 Milliarden Euro zur Ausfinanzierung des ACT-A kürzlich einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung im globalen Kampf gegen COVID-19 gegangen ist. Bei dem ACT-A handelt es sich um einen globalen Mechanismus mehrerer Organisationen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der die Entwicklung, Produktion und den Zugang zu COVID-19-Medikamenten voranbringen soll.
Gleichzeitig zeigen die oben aufgeführten Zahlen: Deutschland und die EU können mehr tun, indem sie ihre überschüssigen Impfdosen mit ärmeren Ländern teilen. Und auch Bundespräsident Steinmeier sagte kürzlich, dass das Teilen der überschüssigen Impfdosen eine „Frage der Menschlichkeit“ sei, die im Interesse Deutschlands liegt. Denn solange das Virus sich in anderen Teilen der Welt weiter ausbreiten kann, steigt das Risiko, dass es mutieren wird – und Mutationen machen an keiner Landesgrenze halt. Das Horten von Impfdosen durch die reichen Länder könnte letztlich die Todeszahlen infolge von COVID-19 verdoppeln und auch für die Weltwirtschaft gravierende Folgen haben. Insgesamt könnte es die Weltwirtschaft bis zu 9,2 Billionen US-Dollar zusätzlich kosten. Dabei würde die Hälfte der Kosten infolge von unterbrochenen Lieferketten und Nachfragerückgang auf die reichen Länder entfallen.
In einer Pandemie ist kein Land eine Insel.🏝️ Denn die Pandemie endet erst, wenn alle überall Zugang zum Impfstoff haben. #Inselstaat ist unsere erste #Pandemica Folge mit den Stimmen von @M_Mittermeier und @carolinkebekus !🎉
Beenden wir die Pandemie!👉https://t.co/Oh3cyNyZ64 pic.twitter.com/9ZqFULrPl2
— ONEDeutschland (@ONEDeutschland) March 25, 2021
Wie können die überschüssigen Impfdosen gerecht verteilt werden?
Aktuell sitzen zwar die Länder noch nicht auf ihren überschüssigen Impfstoffen, da sie aufgrund der gestaffelten Liefer- und Produktionspläne erst nach und nach geliefert werden. Doch sie wurden mit den Herstellern in rechtsverbindlichen Verträgen vereinbart. Die Lieferung an die potenziellen Geberländer ist daher nur eine Frage der Zeit.
Die Weitergabe der Impfstoffe empfiehlt sich daher bereits, bevor die Länder auch einen real existierenden Überschuss angehäuft haben. Beispielsweise schlägt die WHO vor, dass zunächst alle Länder mindestens 20% ihrer Bevölkerung impfen und anschließend erst mit der Impfung der breiteren Bevölkerung beginnen. Die vorgeschlagenen 20% umfassen in etwa die Risikogruppen. Daher könnten die Länder mit Impfdosenüberschuss die Weitergabe beginnen, sobald sie diese 20%-Schwelle erreicht haben. So könnten auch Länder mit niedrigerem Einkommen die Schwelle durch weitergegebene Dosen schneller erreichen. Das wiederum würde die am stärksten gefährdeten Gruppen dort früher vor dem Virus schützen.
Damit die Impfdosen dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden, sollte die Weitergabe über die Impfstoffinitiative COVAX koordiniert werden. COVAX verfügt in Ländern mit niedrigem Einkommen bereits über die notwendigen Verteilungskanäle. Das kann die Verteilung erleichtern und sicherstellen. Bisher hat Norwegen bereits damit begonnen, Impfdosen mithilfe von COVAX weiterzugegeben.
Und werfen wir nun erneut einen Blick nach Subsahara-Afrika, stellen wir fest: Die Verteilung der Impfstoffe durch COVAX funktioniert. Denn mittlerweile konnte COVAX erste Ladungen von COVID-19-Impfstoffen nach Ghana und Côte d’Ivoire liefern und die ersten Impfungen haben dort begonnen (Stand 02.03.2021).
Es ist soweit: Die erste Ladung an #Covid19 Impfstoffen im Rahmen der weltgrößten Impfaktion #COVAX treffen in #Ghana ein. Ein historischer Moment! @UNICEFGhana https://t.co/FvLEZWPqCX
— UNICEF Deutschland (@UNICEFgermany) February 24, 2021
Was musst du noch wissen?
Wie die Weitergabe der Impfstoffe im Detail ablaufen könnte und alle Zahlen rund um den Impfstoffüberschuss der EU, USA, Großbritannien, Australien, Japan, Kanada kannst du in unserer Analyse nachlesen.
Mehr zu Deutschlands Beitrag im globalen Kampf gegen die Pandemie und zu den einzelnen Verträgen mit den Impfstoffherstellern kannst du in unserem Impffairness-Test nachlesen.