Unsere Gastautorin Megan Gieske ist eine Schriftstellerin und Fotografin, die in Kapstadt, Südafrika lebt.
Jeden Tag gehen fast 20 Millionen Menschen in Südafrika hungrig schlafen. Jeden Monat haben 30 Millionen Menschen nicht genügend Geld zur Verfügung, sodass ihre Nahrungsmittelversorgung gefährdet ist.
In Kapstadt versuchen Gemeinschaftsgärten und Wohltätigkeitsorganisationen diese Ernährungsunsicherheit zu bekämpfen, indem sie Lebensmittelverschwendung verhindern, die Menschen zum Anlegen eigener Gärten ermutigen und die nächste Generation landwirtschaftlicher Unternehmer*innen fördern.
Bo-Kaap Community Garden: Gemeinschaftsgärten während COVID-19
Zwischen den bunt bemalten Häusern von Bo-Kaap bringen Abieda Charles und Mariam Matthews im Bo-Kaap Community Garden der nächsten Generation von landwirtschaftlichen Unternehmer*innen eine bessere Zukunftsplanung bei. Abieda ist die Projektmanagerin des Bo-Kaap Community Garden und an ihrem strahlenden Lächeln leicht zu erkennen. Jetzt ergreift sie mit beiden Händen die Blätter einer Spinatpflanze und zieht sie aus dem Boden.
Seit Juni 2020 haben die Familien in Bo-Kaap zu Hause eigene Gärten angelegt und dazu Starterpakete aus dem Bo-Kaap Community Garden bekommen. „Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren und mussten durch den Lockdown [und die Schulschließungen] tagsüber mehr Personen ernähren“, sagt Abieda. Deshalb hat der Gemeinschaftsgarten ihnen das nötige Werkzeug an die Hand gegeben, um sich selbst zu versorgen.
Dank des Landwirtschaftsministeriums bekamen alle die entsprechenden Ressourcen und Anleitungen, um zu Hause einen eigenen Garten anzulegen. Über WhatsApp können die Mitglieder des Gemeinschaftsgartens sicher Informationen und Rezepte austauschen, damit ihr selbst angebautes Gemüse aus dem Garten auch auf den Tisch kommt.
„Wir überleben und unser Garten wird den größten Anteil daran haben“, sagt Jasmina Isaacs, die ein solches Starterpaket erhalten hat.
Abieda erklärt: „Viele haben auf ihrem Balkon, auf der Veranda oder sogar auf der Fensterbank in der Küche einen Garten angelegt.“ „Seit unsere Gemeinschaft ihre eigenen Lebensmittel anbaut, ist das Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährung deutlich gestiegen.“
„Letztendlich brauchen wir einfach mehr dieser Gemeinschaftsgärten“, fügt Miriam hinzu. „COVID-19 hat uns gezeigt, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen müssen.“
SA Harvest: Wie man Lebensmittel rettet und eine Nation ernährt
Allein in Südafrika werden jedes Jahr 10 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Diese Menge würde ausreichen, um die 20 Millionen Menschen, die in Südafrika hungrig schlafen gehen, über ein Jahr lang mit drei nahrhaften Mahlzeiten pro Tag zu versorgen. SA Harvest wurde gegründet, um diese Diskrepanz zu überwinden.
Dort hat man sich zur Mission gemacht, den Hunger in Südafrika zu beenden, indem man Lebensmittel rettet und an diejenigen verteilt, die sie brauchen. Ali Conn, „Haupternteverantwortlicher“ bei SA Harvest, sagt, dass in 39 % Südafrikas Ernährungsunsicherheit vorherrscht. Ein Großteil der weggeworfenen Lebensmittel im Land stammt von Landwirt*innen, die ihre Waren nicht an Händler*innen verkaufen können, weil diese entweder nicht ansprechend aussehen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
„Vor ein paar Tagen hat uns eine Kleinbäuerin aus Philippi angerufen und gesagt: ‚Wir haben 4 Tonnen Mohrrüben, die wir nicht loswerden, weil [der Händler] sie nicht will. Sie wären zu klein.‘ Vor ein paar Monaten haben wir [auch] 40 Tonnen Orangen abgeholt … weil die Händler*innen sie nicht wollten“, ergänzt Ali.
Durch Partnerschaften mit Händler*innen und Bauern und Bäuerinnen kann SA Harvest nahrhafte Lebensmittel, die weggeworfen werden sollen, an Suppenküchen in Nyanga und Lavender Hill weitergeben und an Wohltätigkeitsorganisationen wie Mercy Aids, die die Lebensbedingungen der Menschen verbessern möchten.
Seit der Gründung im Oktober 2019 wurden über 3 Millionen Kilo Lebensmittel gerettet, die sonst weggeworfen worden wären, und mehr als 10,5 Millionen Mahlzeiten in ganz Südafrika ausgegeben. Viele davon gingen an die Kinder im Land.
Abalimi Bezekhaya: Unterstützung für urbane Bauern bei der Geschäftsentwicklung
Im Westkap, der Provinz, in der auch Kapstadt liegt, kaufen über 90 % der Menschen ihre Lebensmittel im Supermarkt und nur sehr wenige bauen diese selbst an. Das bedeutet aber, dass bei einem Verlust des Einkommens – wie es während der Pandemie vielen passiert ist – diese Person auch den Zugang zu Lebensmitteln verliert. Die Organisation Abalimi Bezekhaya kämpft dagegen und ermutigt die Menschen, buchstäblich ihr eigenes Sicherheitsnetz anzubauen.
Abalimi Bezekhaya begann 1982 damit, Lebensmittelgärten und grüne Flächen in den Cape Flats zu fördern, indem man dort Bäume pflanzte. Aber man startete nicht nur eine grüne Revolution, sondern fördert auch die Zukunft der urbanen Bauern und Bäuerinnen in dieser Gegend. Für 70 Rand, umgerechnet weniger als 5 US-Dollar, bekommen Landwirt*innen aus Khayelitsha, Nyanga, und Langa Weiterbildungen zur urbanen Landwirtschaft, Marktzugang, Unterstützung bei einer Biozertifizierung sowie Samen, Setzlinge und Kompost für den Anfang.
„Alle Bauern und Bäuerinnen sind Unternehmer*innen“, sagt Babalwa Mpayipeli, eine Feldarbeiterin und Vermittlerin. Abalimi Bezekhaya hilft ihnen, ihr Geschäft weiter voranzubringen. Durch 50 bis 60 Gemeinschaftsgärten und mit 3.000 privaten Gärtner*innen bilden die Feldarbeiter*innen von Abalimi Bezekhaya Mikrobauern und -bäuerinnen aus und helfen ihnen mit Ressourcen, Mentor*innen, Wissen und Marktzugang. Die Mikrobauern und -bäuerinnen in ärmeren städtischen Gebieten können ihr eigenes Leben gesünder gestalten und ein Einkommen generieren, indem sie ihre Waren verkaufen.
Die Landwirt*innen von Abalimi Bezekhaya verkaufen diese auch zu einem günstigeren Preis an diejenigen, die Hilfe brauchen, um zur Ernährung der Gemeinschaft beizutragen. „Wir identifizieren Häuser, in denen Hilfe benötigt wird“, erklärt Zodwa Daweti, Bäuerin bei Moya We Khaya, einem Partner von Abalimi Bezekhaya. Dort hilft man dann mit Lebensmitteln, Essenspaketen und Ernteresten.
Die Landwirt*innen stellen auch Jugendliche aus der Gemeinschaft ein. „Wir bitten die Jugendlichen um Hilfe, die nicht arbeiten. Wir bezahlen sie und geben ihnen Gemüse mit nach Hause“, sagt Xoliswa Magutywa, Bäuerin und Gründungsmitglied von Moya We Khaya.
„Wir arbeiten zusammen. Alles, was wir tun, machen wir zusammen“, fügt Xoliswa hinzu. Die Mitglieder von Moya We Khaya sind größtenteils weiblich und viele von ihnen sind Rentnerinnen, die vorher andere Arbeit hatten.
Soil for Life: Hilfestellung dabei, wie selbst angebaute Lebensmittel aus dem Garten auf den Tisch kommen
Soil for Life, das es in mehreren Teilen von Kapstadt gibt, hat ein Programm für Mitglieder der Gemeinschaft, in denen diese lernen, wie sie ihre eigenen Bio-Lebensmittel anbauen und so letztendlich die Ernährungsunsicherheit bekämpfen. Dieses 12-wöchige Programm kostet private Gärtner*innen nur 20 Rand (etwas mehr als 1 US-Dollar) und umfasst neben der Ausbildung auch eine Betreuung durch Mentorinnen für bis zu 21 Monate und ein Starterpaket mit Kompost, Mulch, Samen und Setzlingen.
„Wir bringen der Gemeinschaft bei, wie sie ihre eigenen gesunden Lebensmittel anbauen und den Boden nutzbar halten“, sagt Cindy Buské, CEO von Soil for Life.
„Von uns lernen sie, wie sie das Gemüse [aus ihrem eigenen Garten] zubereiten“, fügt Sandi Lewis, die Koordinatorin des Programms. Durch den Austausch von Rezepten und Informationen zu gesunder Ernährung bringt Soil for Life den Menschen bei, wie ihre selbst angebauten Lebensmittel aus dem Garten auf den Tisch kommen.
„Wir arbeiten mit Menschen, denen nur wenig Platz zur Verfügung steht. Was können sie mit dieser kleinen Fläche machen? Tatsächlich eine sechsköpfige Familie ernähren“, erklärt Cindy.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie 2020 unterrichtete Sandi die Gärtner*innen über WhatsApp. Einer davon war Craig, der seinen Garten mit Blumen und Kräutern in einen mit einträglichen und nahrhaften Gemüsesorten verwandelt hat. Craig ernährt mit dem Garten seine Familie und verkauft den Überschuss in seiner Gemeinschaft. „Mein Garten verschafft mir ein Einkommen“, sagt er. Außerdem spendet er Gemüse an eine Suppenküche.
Sandi und die anderen Vermittler*innen statten Gärtner*innen wie Craig alle zwei Wochen einen Besuch ab und sorgen so dafür, dass sie motiviert bleiben und ihren Garten auch weiterhin am Leben halten.
Soil for Life hat über 6.000 Menschen in ganz Kapstadt mit privaten Gärten unterstützt und auch Stellenangebote geschaffen. Das Programm „Train the Trainer“ zeigt den Gärtner*innen, wie sie anderen in ihrer Gemeinschaft helfen können. Einige haben ihr eigenes kleines Geschäft aufgebaut, wo sie Setzlinge, Gemüse und Kompost verkaufen.
„Wenn sie mit dem Training anfangen, werden sie wie eine Familie“, erklärt Sandi. „Da es in der eigenen Gemeinschaft stattfindet, kennen sie sich, tauschen Informationen und Pflanzen oder Gemüse aus. So wird die Gemeinschaft gestärkt.“
Black City Farm: Wo die landwirtschaftliche Gemeinschaft von Langa zusammenkommt
Zwischen den Blechhütten von Langa sorgen Gründer Tony Elvin und die Bauern und Bäuerinnen der Black City Farm dafür, dass etwas Langfristiges entsteht, und bekämpfen gleichzeitig die Ernährungsunsicherheit. Bereits etablierte Landwirt*innen unterstützen sie mit Ressourcen, Marktzugang, Informationen zur Produktion und Lernmöglichkeiten über die App UCanGrow. Black City Farm baut in Langa eine landwirtschaftliche Gemeinschaft auf und vereint Langa im Kampf gegen Ernährungsunsicherheit und Arbeitslosigkeit.
„Wie bringen wir alle Erzeuger*innen [in Langa] zusammen? Das ist die Aufgabe von Black City Farm“, sagt Tony. „Wir bringen alle zusammen … in der Gemeinschaft und von der Gemeinschaftsebene ausgehend. Es ist wichtig, dass die Gemeinschaft eine Marke hat. Die Idee dahinter ist, dass wir kaufen, was sie anbauen, oder Möglichkeiten schaffen, dass sie es selbst verkaufen können. Wir kümmern uns um die Handelsaspekte und die Gemeinschaft kann sich ganz auf den Anbau konzentrieren.“
Nombulelo Mahlabelo ist seit 2014 arbeitslos und Ntomboxolo Njungwini hat ihren Job im Oktober 2020 aufgrund von COVID-19 verloren. Durch die Arbeit mit Black City Farm konnten beide weiterhin ihre Familien versorgen, indem sie ihren eigenen Garten pflegen. Sie haben Spinat und Kohl angebaut, die in der Sonne grün leuchten.
Auf der anderen Seite des Zauns sausen hupende Taxis, Autos und Busse auf dem vielbefahrenen Highway N2 vorbei. Die Kinder von Nombulelo und Ntomboxolo laufen umher, spielen Fangen und gehen vorsichtig durch den Garten, wo sie die Spinatblätter untersuchen. Dank der Ressourcen von Black City Farm gedeiht der Garten prächtig. Sie haben ihm den Namen Yethu-iMjongo gegeben. „Er gehört uns allen und wir haben große Zukunftspläne“, sagt Nombulelo. Sie träumen davon, den Garten zum Vorteil der Gemeinschaft zu erweitern.
„Es war eine tolle Gelegenheit für Black City Farm, uns dabei zu unterstützen, Gemüse für uns selbst anzubauen“, sagt Nombulelo. „Mit diesen Fähigkeiten können wir wiederum andere Gemeinschaftsgärten unterstützen.“
Der gemeinsame Kampf gegen Ernährungsunsicherheit
Der Bo-Kaap Community Garden, Abalimi Bezekhaya, Soil for Life, Black City Farm und SA Harvest sind Beweise dafür, dass Menschen, die zusammenarbeiten und sich umeinander kümmern, viel Gutes bewirken können.
„Wir sehen die Kraft des Zusammenhalts und der Gemeinschaft, wenn wir das Gute ernten, das wir gesät haben“, sagt Abieda vom Bo-Kaap Community Garden.