Die Covid-19-Pandemie hat viele bestehende Ungleichheiten aufgedeckt und verschärft. Bevölkerungen auf der ganzen Welt, die bereits unter Armut, Krankheit, Diskriminierung, institutioneller Instabilität oder finanzieller Unsicherheit litten, waren unverhältnismäßig stark davon betroffen. Schon lange ist klar: Die Pandemie fördert Ungleichheiten. Besonders hart trifft sie auch indigene Völker. Zum heutigen Welttag der indigenen Völker zeigen wir, warum Covid-19 für indigene Völker nicht nur gesundheitlich gefährlich ist – und was jetzt dagegen getan werden muss.
Warum die Covid-19 Pandemie indigene Völker besonders hart trifft
Infektions- und Sterberaten durch Covid-19 liegen bei vielen indigenen Völkern weit über dem jeweiligen nationalen Durchschnitt. Mögliche Gründe: Potentielle Armut, das Vorkommen von sozialen Ungleichheiten, fortdauernde Stigmatisierung und Diskriminierung und ein oftmals eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsversorgung, sauberem Wasser und Sanitäranlagen. Besonders gefährlich ist die Lage der isoliert lebenden indigenen Völker. Kontakte mit der Außenwelt sind für sie immer mit Risiken verbunden. Leider werden sich selbst versorgende Völker immer wieder gegen ihren Willen aufgesucht. Die unerwünschten Besucher*innen bringen Covid-19 und andere Krankheiten mit. Das hat verheerende Auswirkungen, denn leben Indigene abseits großer Städte, sind Krankenhäuser weit entfernt und die Gebiete teilweise nur mit Flugzeug erreichbar.
Warum die Pandemie indigene Völker nicht nur gesundheitlich bedroht
Bereits bestehende Ungleichheiten werden durch die Pandemie noch verschärft. Indigene Völker leben in mehr als 90 Ländern und umfassen mehr als 476 Millionen Menschen. Sie machen 6% der Weltbevölkerung aus, aber fast 19% der Menschen in extremer Armut. In vielen Ländern, in denen indigene Völker leben, ist die Grundlage für ihre wirtschaftliche Selbstversorgung zusammengebrochen, wie ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation zeigt. Indigene Arbeiter*innen haben ihre Jobs verloren, weil sie zu Hause bleiben mussten, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Darüber hinaus sind viele Indigene, besonders indigene Frauen, im informellen Sektor beschäftigt und arbeiten unter unsicheren Arbeitsbedingungen. In der Pandemie sind besonders diese Jobs gefährdet. Da hier oft keine soziale Absicherung besteht, rutschen viele weiter in die Armut ab.
Auch der traditionelle Lebensunterhalt der indigenen Völker ist durch die Covid-19 Pandemie stark beeinträchtigt worden, da sich manche durch die herrschenden Maßnahmen nicht frei bewegen konnten. Gleichzeitig nutzen illegale Holzfäller diese Situation aus und bereichern sich an den Ressourcen der indigenen Völker.
Darüber hinaus sind indigene Kinder, junge Frauen und Männer durch die Pandemie mit zusätzlichen Herausforderungen beim Zugang zu Bildung konfrontiert: Die Schließung von Schulen droht die Ausgrenzung indigener Kinder und Jugendlicher, insbesondere in ländlichen Gebieten, die keinen Zugang zu Fernunterrichtsprogrammen, beispielsweise wegen fehlender Internetanschlüsse, haben. Das resultiert wiederum in weniger Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten.
Zudem sind die Sprachen und Kulturen der indigenen Völker in Gefahr: Covid-19 bedroht vor allem ältere Menschen. Sie sind die Träger*innen der Legenden und des traditionellen Wissens und oft die Einzigen, die die Sprache ihrer Völker noch fließend sprechen. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sind etwa 600 Sprachen verschwunden. Diese Entwicklung führt weiterhin dazu, dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.
Was jetzt dagegen getan werden muss
Obwohl indigene Völker auf internationaler Ebene durch die Erklärung über die Rechte indigener Völker geschützt sind, bleiben sie aufgrund des nicht bindenden Charakters dieser Erklärung, aber auch aufgrund von Missbräuchen durch Regierungen, angreifbar. Was es jetzt braucht ist die volle Einbeziehung und Beteiligung der indigenen Völker in das soziale, wirtschaftliche und politische System. So lautet das Motto zum Internationalen Tag der indigenen Völker der Welt 2021 “Leaving no one behind: Indigenous peoples and the call for a new social contract” (“Niemanden zurücklassen: Indigene Völker und die Forderung nach einem neuen Gesellschaftsvertrag”). Dieser neuer Gesellschaftsvertrag soll die indigenen Völker einbeziehen und dabei ihre eigenen Formen der Verwaltung und Lebensweise anerkennen. Bei der Schaffung eines Vertrags müssen ihre Stimmen, Bedürfnisse und Bedenken gehört, sowie ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung eingeholt werden. Die vielen indigenen Völker, die weltweit unverhältnismäßig stark von Covid-19 betroffen sind, müssen auch an den Plänen für einen Wiederaufbau nach der Pandemie beteiligt sein, damit dieser nachhaltig und inklusiv gestaltet werden kann.