Jedes Jahr setzt sich ONE gemeinsam mit Unterstützer*innen im Rahmen des Haushaltsprozesses dafür ein, dass ausreichend Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere inmitten der aktuellen Krisenlandschaft – COVID-19-Pandemie, Konflikte und Klima, um nur einige Herausforderungen zu nennen – ist es essentiell, dass die Bundesregierung mit ihrer Mittelplanung Verantwortung übernimmt. Das offenbart nicht nur die eigene Prioritätensetzung, sondern kann auch ein starkes, solidarisches Zeichen an die internationale Gemeinschaft sein. Leider wurde diese Chance für das kommende Jahr weitestgehend verpasst. Die Ampelkoalition hat sich für 2023 auf ein Budget verständigt, das den Herausforderungen für globale Gesundheit, Ernährungssicherheit und Klimagerechtigkeit nicht gerecht wird. Und das, obwohl ausreichend Gelder zur Verfügung gestanden hätten – ganz ohne Schulden. Wir fassen zusammen, wieso das Ergebnis so unzureichend ist und wieso wir uns weiterhin für mehr globale Gerechtigkeit in der deutschen Finanzplanung stark machen werden.
Aus Fehlern lernen?
Dieses Jahr hatten wir nicht nur einen Haushaltsprozess, sondern gleich zwei: Der Bundestag musste nach den Wahlen im Neujahr sowohl den Haushalt für das laufende Jahr als auch das Budget für 2023 verhandeln. Dabei hätte die Bundesregierung aus ihrer diesjährigen Haushaltsplanung einiges für das kommende Jahr lernen können. Erst vor einigen Wochen wurden die Budgets des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und des Auswärtiges Amts ein zweites Mal aufgestockt. Beide Ministerien hatten bereits zusätzliche Gelder für die Krisenlage in der Ukraine erhalten und bekamen nun noch einmal jeweils knapp eine halbe Milliarde für die Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit und Hunger zugeteilt. Das ist zweifelsfrei wichtig gewesen: Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist von akutem Hunger oder einer anderen Art der Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Lage spitzt sich durch bewaffnete Konflikte, die Auswirkungen des Klimawandels und ungerechte Lieferketten sowie Verteilung von Land und Lebensmitteln immer weiter zu. Investitionen in eine Umstrukturierung unserer Ernährungssysteme sind essentiell. Doch dieses Geld hätte für bessere Planbarkeit von Anfang an zur Verfügung stehen sollen – die Finanzierungsbedarfe wichtiger multilateraler Organisationen wie des Welternährungsprogramms (World Food Programme, WFP) waren bekannt. Stattdessen musste dieses Jahr mehrfach nachgeholfen werden. In ein ähnliches Szenario scheinen wir erneut hineinzusteuern.
Drastische Mittelabfälle für Entwicklungszusammenarbeit
Besonders drastisch fallen die Mittelkürzungen im multilateralen Bereich aus. Sonderorganisationen der Vereinten Nationen erhalten kommendes Jahr nur rund die Hälfte der Gelder, die ihnen Deutschland dieses Jahr noch zur Verfügung gestellt hat. Multilaterale Gelder für Entwicklungszusammenarbeit machen ohnehin schon einen viel zu geringen Anteil an der Gesamt-ODA Deutschlands aus – nur ein Viertel aller Gelder wird multilateral investiert, dabei sind gerade in diesem Bereich die größten Erfolge zu verzeichnen. Neben dem Welternährungsprogramm werden auch andere wichtige Organisationen wie die Globale Bildungspartnerschaft (Global Partnership for Education, GPE) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Mittelabfälle verzeichnen. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Deutschland weiterhin unter seinem fairen Beitrag von 8 Milliarden Euro für internationale Klimafinanzierung zurückbleiben wird. Insgesamt werden die Gelder für das Bundesentwicklungsministerium kommendes Jahr im Vergleich zu 2022 um rund 13 Prozent abfallen. Das sendet das falsche Signal.
Ungenutzte Chancen
Besonders fatal: Das Geld für dringend notwendige Aufstockungen wäre da gewesen. Für sogenannte ‚Globale Mehrausgaben‘ waren im Haushaltsentwurf für 2023 5 Milliarden Euro vorgesehen. Das hätte mehr als ausgereicht, um die Finanzierungslücken für Krisenbewältigung zu füllen. Doch die Haushälter*innen der Ampelkoalitionen haben es leider verpasst, diese Möglichkeit vollends auszuschöpfen. Zwar erhielten nach der berüchtigten Bereinigungssitzung am 10.11. sowohl das Bundesentwicklungsministerium als auch das Auswärtige Amt jeweils rund eine Milliarde an zusätzlichen Geldern aus diesem Topf. Trotzdem stehen beiden Ressorts damit insgesamt weniger Mittel zur Verfügung als noch in diesem Jahr. Der Einsatz ging also in die richtige Richtung, aber griff viel zu kurz.
Und jetzt?
In besagtem Topf für Globale Mehrausgaben liegen weiterhin Gelder, die nachträglich an die Ministerien verteilt werden können. Es bleibt also wichtig, dass wir die politischen Entscheidungsträger*innen in die Verantwortung nehmen und darauf drängen, diese Mittel für Maßnahmen für globale Gerechtigkeit einzusetzen. Gleichzeitig gilt: Für die Ausfinanzierung von multilateralen Organisationen und die gezielte Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen ist eine frühzeitige Zuteilung der Gelder essentiell. Nur so ist Krisenbewältigung planbar, reaktionsbereit und weitsichtig. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.