Die Welt steht vor vielen Herausforderungen – eine davon ist globale Gesundheit. Obwohl Menschen in Teilen der Welt über hervorragende medizinische Versorgung verfügen, ist diese in anderen Teilen rar. Aufgabe einer feministischen Entwicklungspolitik muss es sein, Menschen überall auf der Welt umfassende und gleichberechtigte Gesundheitsleistungen zu ermöglichen. Vor allem für Frauen und andere marginalisierte Gruppen innerhalb der Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen benötigen Verbesserungen beim Zugang zur medizinischer Versorgung. Das haben sich die Afrikanische Union in ihrer Agenda 2063 ebenso wie die Vereinten Nationen in der Agenda 2030 zum Ziel gesetzt. Wie unterstützt feministische Entwicklungszusammenarbeit dieses Ziel?
Zahlen und Fakten
Aids ist die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 15 und 49 Jahren. Obwohl es Medikamente gibt, die den Krankheitsverlauf abmildern und die Lebenserwartung deutlich verlängern können, fehlt in der Realität häufig der Zugang zu diesen. Bekommen Frauen ohne den Zugang zu angemessener Behandlung von HIV ein Kind, steigt das Risiko, das Virus an das Neugeborene weiterzugeben immens. Vermeidbare Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt haben 2020 täglich etwa 800 Frauen das Leben gekostet – fast 95% dieser Fälle in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen. Neben gesundheitlichen Benachteiligungen bei Zugang und Qualität medizinischer Versorgung sind Frauen einem höheren Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt (gender based violence, GBV) ausgesetzt: 1 von 3 Frauen erfährt in ihrem Leben GBV – ein Umstand, der sich negativ auf die physische, mentale, sexuelle und reproduktive Gesundheit auswirkt. Fast ein Viertel der HIV-Neuinfektionen bei Frauen in Südafrika ist auf GBV zurückzuführen. Das Beispiel HIV/Aids zeigt, wie wichtig es ist, Prävention von Krankheiten geschlechtsspezifisch zu denken. Um HIV-Infektionen für Frauen effektiv zu verhindern, muss auch GBV verhindert werden.
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
Frauen sind in Gesundheitskrisen stärker von deren wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen, wie sich zuletzt durch die COVID-19-Pandemie zeigte: Mehr als 500 Millionen Frauen weltweit arbeiteten in Sektoren, die stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen waren – wie der Manufaktur oder dem Gastgewerbe. Dabei wurden die bezahlten Arbeitsstunden der Frauen im globalen Durchschnitt stärker reduziert als die von Männern. Zusätzlich wird die Gesundheit von Frauen am Arbeitsplatz häufig aufs Spiel gesetzt: Sicherheitsvorkehrungen werden oft an den männlichen Maßstäben ausgerichtet, was für Frauen in vielen Situationen gesundheits- oder sogar lebensentscheidend sein kann. Die Autorin und Aktivistin Caroline Criado Perez beschreibt diesen Umstand in ihrem Beitrag bei The Guardian ausführlich.
Globale Gesundheit ist eine Frage der Ressourcen
Die bestehende Benachteiligung rührt von einer ungleichen Verteilung von Macht und Ressourcen: Viele der großen Pharmakonzerne waren bisher zurückhaltend, ihre Produktionsstätten auf den afrikanischen Kontinent auszuweiten. Damit sind diese Länder verstärkt auf den Import von medizinischen Produkten angewiesen. In anderen Fällen dauerte es viel zu lange, bis ein Medikament/Impfstoff für eine Krankheit entwickelt wurde, die vorranging im Globalen Süden benötigt wurde. Trauriges Beispiel ist der Impfstoff für Ebola. Der Virus betrifft hauptsächlich Länder mit geringem Einkommen in Afrika. Das bedeutet, die Nachfrage ist regional begrenzt und die mit dem Verkauf zu erzielende Gewinne eingeschränkt. Das macht Investitionen in Forschung und Entwicklung für Pharmaunternehmen häufig unattraktiv – als Konsequenz warten betroffene Menschen sehr lange auf mitunter lebensrettende Medikamente und Impfstoffe. Dabei sollte das Recht auf Gesundheit nicht davon abhängig sein, wie viele Medikamente in einzelnen Regionen produziert werden können oder welche Gewinnmargen mit dem Verkauf von medizinischen Produkten erzielt werden können. Ein weiteres Beispiel: Pharmakonzerne verkauften während der COVID-19-Pandemie 80% der Impfstoffe an G20-Länder – während Länder des Globalen Südens in die Warteschlange mussten. Neben Impfstoffen gegen Malaria, Polio, COVID-19 und vielen weiteren vermeidbaren Krankheiten ist geschultes Personal ebenso knapp wie essentielles medizinisches Zubehör. Was sich durch diesen Umstand ausdrückt, sind die Auswirkungen kolonialistischer Strukturen auf Länder des Globalen Südens, die das wirtschaftliche Potential und ihre Möglichkeiten der Teilhabe und Produktion bis heute einschränken.
Gesundheit ist ein Menschenrecht
Feministische Politik priorisiert Partnerschaften auf Augenhöhe, in denen alle Parteien gleichberechtigt teilhaben können. Die bestehenden Strukturen erschweren eine zuverlässige Gesundheitsversorgung für Menschen in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen strukturell. Geschlechternormen benachteiligen Frauen zusätzlich in vielen Ländern gegenüber Männern. Dazu gehören primäre Einschränkungen wie der Umstand, dass sich medizinisches Wissen oft an männlichen Personen orientiert und Gesundheitsdienstleister*innen nicht immer für die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse von Frauen sensibilisiert und geschult sind. Dazu gehört auch, dass die Entscheidung über (gesundheitliche) Belange der Frauen oftmals bei ihren Ehepartnern liegt. Im weiteren Kontext hindert eine geringere Alphabetisierungsrate oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit Frauen daran, medizinische Versorgung wahrzunehmen. Ihr Recht auf eine sichere, umfassende und zugängliche sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung ist über den schon bestehenden Ressourcenmangel hinaus eingeschränkt. Das Menschenrecht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohlergehen gewährleistet ist insbesondere für Frauen damit nicht realisiert.
“Geschlechtergerechtigkeit ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Gefährdung von Frauen durch vermeidbare Krankheiten zu verringern und gegen einige soziale Normen vorzugehen, die ihre Möglichkeiten einschränken, frei zu entscheiden und sich zu schützen.” – Dr. Joannie Marlene Bewa. Hier ein Video zu ihrer Arbeit.
Feministische Entwicklungspolitik fördert globale Gesundheit
Feministische Entwicklungspolitik stellt den Menschen und seine grundlegenden Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihres Handelns. Damit Länder des Globalen Südens im Allgemeinen und Frauen und andere marginalisierte Gruppen im Besonderen einen adäquaten Zugriff auf diese Ressourcen erhalten und das Recht auf Gesundheit realisieren, fordern wir vier Vorgehensweisen: Erstens muss die Finanzierung für globale Gesundheit verstärkt werden. Bestehende Akteure wie Gavi, PEPFAR und der Globale Fonds müssen in ihrer Arbeit unterstützt und finanziell gefördert werden. Zweitens müssen zusätzliche Finanzierungsinstrumente realisiert werden. In Anbetracht der weltweiten Krisen wie der Pandemie, dem Ukrainekrieg, Verschuldung und der Klimakrise scheinen sich die Investitionskapazität und -bereitschaft der Regierungen zu verschieben. Um weitere, stark benötigte Gelder freizusetzen, muss die Wirkungsweise der multilateralen Entwicklungsbanken reformiert werden. Dadurch könnten viele Milliarden an Geldern für Entwicklungsfinanzierung freigesetzt werden. Mehr dazu hier. Drittens droht vielen afrikanischen Staaten der Schuldennotstand. Die Schulden müssen umverteilt werden, damit die Länder Investitionen tätigen können, ohne die bestehende Schuldenlast zu verstärken. Dadurch können auch inländische Ressourcen mobilisiert werden, die für eine erstarkende Gesundheitsindustrie dringend benötigt werden. Viertens müssen kontextübergreifend verstärkt Projekte unterstützt werden, die Geschlechtergerechtigkeit in allen Belangen unterstützen. Frauen die vollumfänglich gleichwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten ist ein essentieller Schritt, um gesellschaftliche Gleichstellung zu erreichen und struktureller Diskriminierung entgegenzutreten. Ohne die Bemühungen, die Gesundheitsversorgung weltweit umfassend und inklusiv zu gestalten, können wir nicht von einer tatsächlich feministischen Ausrichtung der Entwicklungspolitik sprechen. Wir fordern globale Gleichberechtigung! Du auch? Dann unterschreibe jetzt unsere Petition und teile diesen Artikel. Denn Feminismus ist für alle gut. In den restlichen Blogs dieser Reihe kannst du nachlesen, wie Feminismus mit Entwicklungspolitik im Allgemeinen zusammenhängt ebenso wie mit Ernährungssicherheit und der Anpassung an die Klimakrise. Du kannst hier mehr über unsere Forderungen an die Bundesregierung lesen.