1. Startseite
  2. Neuigkeiten
  3. Faktencheck: Was bringt und kostet Entwicklungspolitik wirklich?

Faktencheck: Was bringt und kostet Entwicklungspolitik wirklich?

Faktencheck

Entwicklungspolitik ist zurzeit in aller Munde. Doch bei aller Freude über die Aufmerksamkeit für unser Herzensthema, müssen wir dringend mit ein paar Irrtümern aufräumen. Wieviel Geld gibt Deutschland jetzt eigentlich genau aus für Entwicklungspolitik? Was ist los mit den Radwegen in Peru? Und was bringt Entwicklungspolitik überhaupt? Blickst du noch durch und kennst alle Fakten? Finde es heraus und mach jetzt den ONE-Faktencheck.

Faktencheck 1: Warum zahlt Deutschland eigentlich für Entwicklungspolitik?

Deutschland hat einige historische Verpflichtungen. Beispielweise hat Deutschland im Rahmen des Paris Abkommens zugestimmt, Länder des Globalen Südens bei der Bewältigung der Klimakrise finanziell zu unterstützen. Hintergrund für diese Zusage ist, dass diese Länder häufig bereits sehr viel stärker von den Konsequenzen des Klimawandels betroffen sind (z.B. Extremwetterereignisse in Ostafrika) wenngleich sie weltweit die wenigsten Treibhausgase produzieren, sprich wenig bis nichts zum Entstehen des Klimawandels beigetragen haben.  

Außerdem gibt es viele wirtschaftliche Gründe, die für Entwicklungspolitik sprechen. Für jeden investierten US-Dollar in globale Nachhaltigkeit und Resilienz, können zwischen 4-7 US-Dollar eingespart werden. Dies kann entweder durch neu geschaffene Jobs passieren oder durch eingesparte Folgekosten durch erfolgreiche Präventionsmaßnahmen. Zusätzlich zu Hilfszahlungen, vergibt die Bundesregierung auch häufig Kredite im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Diese Gelder kommen also zurück, häufig sogar gut verzinst. 

Faktencheck 2: Wieviel Geld möchte Deutschland für Entwicklungspolitik ausgeben?

0.7% unserer Wirtschaftskraft sollen für ODA (Official Development Assistance) ausgegeben werden. Steht so unter anderem im Koalitionsvertrag, aber auch in internationalen Abkommen bei der Europäischen Union, der OECD und den Vereinten Nationen.

Hinter diesen 0.7 % verbirgt sich nicht nur das Budget des Entwicklungsministeriums, sondern auch alle Kosten, die das Auswärtige Amt für humanitäre Hilfe in Krisensituationen ausgibt, ebenso wie die Kosten für Geflüchtete, die nach Deutschland gekommen sind. Im Jahr 2023 hat Deutschland dieses Ziel mit 0.79 % erreicht. Zieht man die Ausgaben für Geflüchtete im Inland ab, liegt die ODA-Quote nur noch bei 0,64 %.

Faktencheck 3: Was sind offizielle Entwicklungsgelder eigentlich genau?

Als Official Development Assistance (ODA) werden bestimmte öffentliche Entwicklungsleistungen bezeichnet. ODA ist eine von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) vereinbarte international anerkannte und streng überwachte Messgröße.

ODA kann in Form von Zuschüssen bereitgestellt werden oder auch als (vergünstigte) Kredite. Vergünstigt ist ein Kredit dann, wenn Deutschland niedrigere Zinsen fordert oder eine längere Laufzeit akzeptiert, als zum gleichen Zeitpunkt auf dem internationalen Finanzmarkt für den*die Kreditnehmer*in möglich wäre. Auch ein (Teil-)Erlass einer Kreditrückzahlung kann als ODA angerechnet werden.  

Fun Fact: Spenden, die durch zivilgesellschaftliche Entwicklungsorganisationen eingeworben werden, zählen nicht zu den 0.7 %. 

Faktencheck 4: Wieviel Prozent des Bundeshaushalts darf das Entwicklungsministerium ausgeben? 

2.4 % des Bundeshaushalts. Der Anteil ist also sehr gering. Wenn in der Politik darüber diskutiert wird, dass Gelder für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt werden soll, ist es wichtig zu bedenken, dass es sich hier bereits um einen sehr kleinen Ausgabenposten handelt. Man sollte kritisch hinterfragen, ob es nicht andere Ausgabenposten gibt, die ein größeres Kürzungspotenzial haben.

Zum Vergleich: Das Budget für das BMZ soll sich im Jahr 2024 auf €11,22 Milliarden belaufen. Jährlich gibt der deutsche Staat etwa €65 Milliarden allein für umweltschädliche Subventionen aus. Diese Summe hat das Umweltbundesamtes für 2018 ermittelt. Es sind Vergünstigungen, die die Klimaziele direkt konterkarieren und ein deutlich größeres Kürzungspotenzial aufweisen.

Faktencheck 5: Was haben wir davon, wenn Deutschland Radwege in Peru finanziert?

Wir alle profitieren, wenn CO2-Emissionen reduziert werden, egal wo! Die jüngste Debatte hat häufig viel zu hohe Zahlen verwendet und unterschlagen, dass ein Teil der Gelder, die Deutschland an Peru zahlt, eigentlich ein Kredit für den Ausbau eines umweltfreundlichen ÖPNV sind. Streng genommen profitieren wir also doppelt: Gesundheitlich durch weniger Emissionen in der Luft und finanziell durch Kreditrückzahlungen inkl. Zinsen im Bundeshaushalt.   

Faktencheck 6: Wie hat sich Kindersterblichkeit weltweit in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?

Ein unbegründeter Vorwurf lautet gerne mal “Entwicklungspolitik bringt doch eh nichts”. Dem würden wir entschieden widersprechen. Eine große Erfolgsgeschichte: Die Kindersterblichkeit hat sich seit 1990 mehr als halbiert, von 12,5 Millionen Kindern unter fünf (1990) auf rund fünf Millionen Kinder unter fünf (2021). Damit ist die Sterblichkeit von Kleinkindern auf einem historischen Tiefstand.

Die häufigsten Todesursachen für Kinder unter 5 sind Krankheiten wie Lungenentzündung, Malaria oder Durchfall sowie Mangelernährung und unzureichende medizinische Begleitung von Schwangerschaft und Geburt. All dies sind Bereiche, die durch gezielte Entwicklungszusammenarbeit bekämpft und verbessert werden konnten. Dies sollte uns Ansporn sein, alles zu tun, um Entwicklungszusammenarbeit zu stärken und diese vermeidbaren Krankheiten und Todesfälle der Kleinsten ein für alle Mal zu beenden.

Faktencheck 7: Brauchen wir eine feministische Entwicklungspolitik?

Ja, unbedingt. Frauen sind statistisch gesehen häufiger von Armut betroffen. Das heißt, wenn wir Armut erfolgreich bekämpfen wollen, müssen wir genau analysieren, welche Gründe Frauen in Armut bringen. Häufig sind das Gründe, die auf Geschlechterdiskriminierung zurückzuführen sind, oder im Zusammenhang mit reproduktiver Gesundheit stehen.

Ein Beispiel, wie erfolgreiche feministische Entwicklungspolitik aussehen kann: Deutsche Entwicklungszusammenarbeit trug unter anderem dazu bei, dass zwischen 2011 und 2023 mehr als 32 Millionen Paare dank moderner Verhütungsmittel ungewollte Schwangerschaften verhindern konnten, 40.000 Gesundheitsfachkräfte in der Geburtshilfe qualifiziert und 6 Millionen Geburten professionell begleitet wurden.

Fun Fact : Wir wissen, dass der Begriff Feminismus manchmal die Gemüter erhitzt. Wir verstehen darunter die Gleichstellung von allen Geschlechtern, nicht mehr und nicht weniger. 

Wir sind nicht nur davon überzeugt, dass es in einer gleichberechtigten Welt auch Männern besser geht, wir haben auch Beweise:  Hätten Frauen den gleichen Zugang zu Land, Saatgut oder Düngemitteln wie Männer, könnten bis zu 150 Millionen Menschen (Männer ausdrücklich mitgemeint) aus chronischem Hunger befreit werden.  Würde Geschlechterdiskriminierung in Afrika abgeschafft, könnte die Wirtschaftskraft des Kontinents bis 2025 um 316 Milliarden US-Dollar anwachsen.