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Warum Entwicklungspolitik und Feminismus untrennbar sind

Feministische Entwicklungszusammenarbeit ist ein Politikansatz, der die Gleichberechtigung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen weltweit zur Priorität erklärt. Mit der Agenda 2030 haben sich die Vereinten Nationen das Ziel gesetzt, unter anderem diese Gleichberechtigung zu erreichen. Nun sind es nicht einmal mehr zehn Jahre bis zu dieser selbst gesetzten Deadline und wir leben in einer Welt, in der noch kein einziges Land Geschlechtergerechtigkeit realisiert hat. Grund dafür sind diskriminierende Strukturen, die es zu durchbrechen gilt. Sie resultieren darin, dass Frauen und andere marginalisierte Gruppen nicht dieselben Chancen wahrnehmen können wie der Rest der Bevölkerung. So haben weniger Frauen und Mädchen einen Zugang zu Bildung, erleben öfter sexuelle oder physische Gewalt, können weniger auf soziale Sicherungssysteme wie Finanzdienstleistungen zurückgreifen und sind öfter von Hunger und Armut betroffen. In der hiermit beginnenden Blogreihe zeigen wir auf, warum Feminismus ein integraler Bestandteil der (Entwicklungs-) Politik sein muss und wie sich dieser Politikansatz explizit auch in den Bereichen Ernährungssicherheit, globale Gesundheit und Anpassung an die Klimakrise auswirkt.

Feminismus als Schlüssel zu globaler Gerechtigkeit

Die Vereinten Nationen haben sich im Rahmen der Agenda 2030 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die Afrikanische Union formuliert in ihrer Agenda 2063 Leitlinien für ein, friedliches, prosperierendes und wirtschaftlich starkes Afrika. Das Erreichen von Geschlechtergerechtigkeit ist ein Kernbestandteil beider Agenden und mit anderen Zielen untrennbar verbunden. Denn weltweite Krisen wie extreme Armut, bewaffnete Konflikte, Ernährungsunsicherheit oder gesundheitliche Bedrohungen sind zum einen oft Resultat bestehender Ungleichheit und verstärken diese zum anderen noch, indem sie Frauen und andere marginalisierte Gruppen am stärksten treffen. Um eine Welt der gleichen Rechte und Chancen zu realisieren, bedarf es einer Politik, die entschieden handelt und von vornherein den Fokus auf die Bedürfnisse und Lebensrealitäten aller Menschen setzt. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat Anfang 2022 eine feministische Entwicklungspolitik angekündigt. Wir fordern eine konsequente Umsetzung und ein Konzept, das den Menschen und seine grundlegenden Bedürfnisse immer in den Vordergrund stellt.

Für eine erfolgreiche feministische Entwicklungszusammenarbeit sehen wir von ONE folgende Maßnahmen als essentiell an: 

Definition einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit weiterdenken

Dass wir heute in einer Welt leben, in der Macht und Ressourcen so ungleich verteilt sind hat eine lange Geschichte und die Kolonialzeit ist mit all ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart deutlich spürbar. Wir werden Zeugen von verschiedensten Formen der Diskriminierung, die auf einzelne Identitätsmerkmale – wie Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung – abzielen. Eine feministische Entwicklungspolitik erkennt diese Diskriminierung an und versteht, dass die einzelnen Merkmale zusammenwirken und neue, verstärkte Formen der Diskriminierung schaffen. Diese wirken sich negativ auf die Zukunftschancen und Lebensrealitäten der Betroffenen aus. Feministische Entwicklungspolitik erkennt außerdem globale Abhängigkeitsverhältnisse und systemische Ungleichheiten zwischen Globalem Süden und Globalem Norden an und setzt sich dafür ein, sie zu überwinden. Die deutsche Bundesregierung kann und muss einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, koloniale Kontinuitäten und Machtverhältnisse aufzubrechen und abzubauen. Sie muss sich zu Deutschlands kolonialer Geschichte bekennen und heute entschieden antikolonialistisch und antirassistisch handeln. Sensibilisierungstrainings in allen Ministerien, Behörden und sozialen Einrichtungen wie auch entwicklungspolitische Bildungsarbeit in Schulen sollen als unterstützende Maßnahme etabliert werden.

Geschlechtergerechtigkeit als Kernelement und Finanzierungsziel der entwicklungspolitischen Projekte definieren

Deutschland hat einen gewissen Teil an Geldern, die für Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werden. Diese Gelder sind “ODA” – Official Development Assistance. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung muss feministische Grundsätze ressortübergreifend mitdenken und Geschlechtergerechtigkeit in allen finanzierten entwicklungspolitischen Projekten mindestens im Nebenziel verfolgen. 20% der Gelder sollen für Projekte aufgewendet werden, deren Hauptziel Geschlechtergerechtigkeit ist.   Um Fortschritte evaluieren und aus der Praxis lernen zu können, müssen die relevanten Ausgaben für Geschlechtergerechtigkeit sorgfältig und konsequent erfasst werden. Dazu soll zum einen ein Instrument der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) verwendet werden: Die Gender Marker. Mit ihnen können Staaten ihre Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit “labeln” und damit erkenntlich machen, ob und wie viel Geld in das Ziel Geschlechtergerechtigkeit fließt. So kann Qualität und Quantität einer feministischen Entwicklungspolitik prüfbar gemacht werden. Außerdem haben die G7 ein Tool entwickelt das sie verwenden sollen, um ihre eigene Performance hinsichtlich Gleichberechtigung zu messen: Das G7 Gender Dashboard.

Betroffene Menschen in den Mittelpunkt der Entscheidungen stellen

ODA-Gelder sollen die bestmögliche Wirkung für die Bevölkerung der Länder haben, die sie erhalten. Eine sorgfältige Finanzierung ist dabei ausschlaggebend: Denn oft werden nur kurzfristige Projekte gefördert, die schnellen Erfolg versprechen. Oft ist eine solche Finanzierung notwendig, in vielen Bereichen bedarf es allerdings langfristiger und verlässlicher Finanzierung für eine nachhaltige Entwicklung. Damit Organisationen nicht um Gelder konkurrieren müssen, muss Deutschland die Finanzierungsstrukturen so verändern, dass eine langfristige und flexible Grundfinanzierung der Zivilgesellschaft des Globalen Südens möglich wird. Eine feministische Entwicklungszusammenarbeit verlangt außerdem, dass die Personen, die entwicklungspolitische Entscheidungen treffen, immer im Sinne der betroffenen Menschen handeln. Sie sind ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig und erkennen ihre Bedürfnisse, Lebensrealitäten und die Fähigkeit zur Unabhängigkeit an. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass lokale Expert*innen die Entscheidungsprozesse maßgeblich leiten und in der Konzeption neuer Projekte beteiligt werden. Die deutsche Bundesregierung muss die selbstgesetzten Ziele der Afrikanischen Union, die sie in der Agenda 2063 formuliert hat, unterstützen.

Feminismus auf alle Bereiche der Politik ausweiten

Feminismus hat Auswirkungen auf alle Bereiche des Politischen. Untrennbar damit verbunden ist beispielsweise die Außenpolitik. In einem feministischen Ansatz soll die humanitäre Hilfe verstärkt werden ebenso wie Konfliktprävention und die Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen. Global ist zu erkennen, dass deutlich mehr finanzielle Aufwendungen in die Realisierung “militärischer Sicherheit” fließen (mehr als 2000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021) als in die Entwicklungszusammenarbeit (etwa 186 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021). Diese Gewichtung suggeriert, dass die militärische Lösung von Konflikten einen deutlich größeren Beitrag zu Frieden und Sicherheit leistet, als Entwicklungszusammenarbeit. Dieser Ansicht steht eine feministische Politik entschieden entgegen. Eine Entwicklungspolitik, die die Grundbedürfnisse der Menschen addressiert – kein Hunger, keine Armut, Gesundheit, Zugang zu sauberem Wasser, Arbeit, soziale Sicherung – verhindert Konflikte, bevor sie überhaupt entstehen. Dieser Ansatz erkennt die Menschenwürde an und verspricht tatsächliche Sicherheit. Für alle Menschen und nicht nur die des Globalen Nordens. Alle Ministerien der Bundesregierung sollen sich deswegen auf eine feministische Strategie verständigen und Gleichberechtigung in allen Bereichen der Politik und der Gesellschaft realisieren. Die Bundesregierung muss sich in ihren bi- und multilateralen Beziehungen für kollektive und internationale feministische Handlungsweisen stark machen.

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