Hier bloggt Carine Umutoniwase, ONE-Aktivistin aus Kenia und Gründerin von “Footprints for Change“.
Covid-19 hat weltweit Bildungssysteme lahmgelegt und in Ländern wie Kenia zu monatelangen Schulschließungen geführt. Millionen Kinder konnten dadurch nicht mehr zur Schule gehen und waren gezwungen zuhause zu bleiben oder sind es noch immer.
Die Antwort auf, durch die Schulschließung entstandenen, Lernverluste: E-Learning. Doch das hat vor allem die Ungleichheit unter den Schüler*innen verstärkt. Insbesondere für diejenigen, die in marginalisierten Gemeinschaften leben und nur eine begrenzte Stromversorgung haben, standen vor großen Herausforderungen. So auch Haushalte, die sich keinen Internetzugang leisten können.
Covid-19 vergrößert Ungleichheiten in der Bildung
Dies war bei tausenden von Kindern der Fall, die nicht mehr in die Schule gehen konnten. Es war ein ungewohntes Bild, Kinder auf den Straßen zu sehen, obwohl sie eigentlich in der Schule sein sollten. Bei Forschungen zu den Auswirklungen von Covid-19 auf das Lernen für gefährdete Schüler*innen einen Monat nach der Schließung der Schulen in Kenia, hat das Team von Footprints for Change (F4C) in Mathare (Vorort der Kenianischen Hauptstadt Nairobi) festgestellt, dass die Mehrzahl der Kinder dort kein stabiles Unterstützungssystem hatte, das ihnen half, zuhause weiter zu lernen.
Darüber hinaus ergab die Untersuchung eine große Ungleichheit in Bezug auf Anschlussgeräte, wie Smartphones, Radios und Fernseher für Schüler*innen in informellen Siedlungen von “Alternative Provision of Basic Education and Training” (APBET)-Schulen – oft als Privatschulen in vernachlässigten Gemeinden bezeichnet. APBET-Schulen betreuen mehr als 2 Millionen Schüler*innen in ganz Kenia.
Im Rahmen der Umfrage mit Schüler*innen in Mathare stellte sich auch heraus, dass die Schüler*innen bereits teilweise vergessen hatten, was ihnen im Vorjahr beigebracht worden war. Und das nur zwei Monate nachdem die Schulen geschlossen worden waren. Die jüngsten Ergebnisse der von der Regierung durchgeführten nationalen Auswertung der Lernsituation zeigen große Lernverluste auf, wobei die Mehrheit der Kinder, die schlechte Leistungen erbracht haben, insbesondere aus Schulen in ländlichen und marginalisierten Gebieten kommen.
Bildung gilt als Tor zu einem besseren Leben, vor allem für die Millionen Menschen, die in armen Verhältnissen leben. Aber während Covid-19 konnten Schüler*innen nicht mehr in die Schulen gehen oder sich von ihren Lehrer*innen unterstützen lassen. Die Eltern waren mit der Verantwortung überfordert, sich um ihre Kinder zu kümmern und sie zu Hause zu betreuen. Die Mehrheit der Kinder in Mathare machte tagsüber worauf sie Lust hatten. Sie verbrachten viel Zeit mit ihren Freund*innen, spielten ohne jegliche Vorsichtsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Tragen von Masken, erledigten Hausarbeiten und einige halfen ihren Eltern bei der Arbeit. Gemeindevertreter*innen und Lehrer*innen beklagten, dass Kinder nun häufiger anfängen, Drogen zu nehmen und die Fälle von Kindesmissbrauch und Teenagerschwangerschaften zugenommen haben.
Rechtzeitig eingreifen, um Lernverlust zu stoppen
Das Covid-19-Bildungsförderungsprojekt von Kiota in Mathare war eine spontane Initiative des F4C-Teams. Für uns war es eine Möglichkeit den Lernverlust von Tausenden in der Gemeinde zu stoppen. Zu Beginn des Projekts im September entwickelte das Team auf der Grundlage der Befragungen ein Home-Schooling-Modell, mit dem über 120 Schüler*innen in Mathare in den nächsten drei Monaten unterstützt werden sollten, bevor die Schulen wieder geöffnet wurden. Zu einer Zeit, als die Schulen nicht wussten, wie sie ihre Schüler*innen in Mathare unterstützen sollten, wandte sich F4C mit Unterstützung von Grassroots Nest Innovation for Change an seine Partnerschulen, Kirchen und Organisationen, um Schüler*innen der Klassen 6, 7 und 8 für das Projekt zu identifizieren und zu mobilisieren.
Damit dies funktioniert, musste F4C einen sicheren Weg finden, um mit den Schüler*innen zu interagieren und dabei die Covid-19-Maßnahmen zu beachten. Das Team übernahm das “nyumba kumi”-System und teilte die Schüler*innen in Gruppen ein, die als Lernkreise bezeichnet wurden, mit jeweils 10 Kindern in einem Kreis. Das neue Lernmodell wurde auch von Jugendlichen vor Ort unterstützt, die als Mentor*innen und Tutor*innen fungierten und jeweils einen Lernkreis koordinierten. Dies gab Studierenden, die wegen der Schließung der Universitäten ebenfalls zu Hause festsaßen, neue Perspektiven.
Außerdem konnten wir drei Lehrer*innen dafür gewinnen Klassen zu unterstützen und Inhalte für die Lernzirkel zu erarbeiten. Das F4C-Team erhielt von den Lehrer*innen Notizen und Aufgaben für Wiederholungsübungen sowie wöchentliche Arbeitsblätter, die an Schüler*innen verteilt wurden. Die Mentor*innen brachten die Arbeitsblätter zu ihren 10 Schüler*innen nach Hause, gingen den Inhalt mit ihnen durch und boten Unterstützung an. Teil der Arbeitsblätter waren auch Rätsel und Geschichten, um die Schüler*innen zum Lernen zu motivieren.
Den Erfolg anerkennen und das Programm erweitern
Es ist erstaunlich, wie Lösungen für Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, oft direkt vor uns liegen. Wenn uns etwas wichtig ist, müssen wir nur nach ihnen suchen und handeln. Schon kurz nach dem Start haben wir positive Rückmeldungen von Mentor*innen und Schüler*innen bekommen und gehört, dass es Verbesserungen gab, insbesondere in Fächern, wie Mathematik und Naturwissenschaften, vor denen die meisten Kinder sich scheuen. Auch andere Eltern haben sich bei uns gemeldet und gefragt, ob ihre Kinder auch die wöchentlichen Arbeitsblätter und Aufgaben bekommen können. Die Mentor*innen sind eine wichtige Säule des Kiota-Programms. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, die Eltern in die Bildung ihrer Kinder einzubinden und die Talente ihrer Kinder zu erkennen.
Das Kiota-Bildungsförderungsprojekt ist seit fünf Monaten vor Ort in Mathare und erreicht inzwischen 500 Schüler*innen in der Schule und erweitert zudem die Unterstützung zuhause. Zu Beginn des Jahres wurde das Programmdesign verbessert, indem das Feedback der Schüler*innen und Partner einbezogen wurde. Wir haben mit Schachunterricht in den Lernzirkeln angefangen, als Teil der kreativen „Skill Sessions“, bei denen die Schüler*innen von ihren Mentor*innen unterstützt werden. Unsere Mentor*innen haben zudem weitere Lücken identifiziert, die wir derzeit versuchen zu schließen. Zum Beispiel haben wir zwei Lernzirkel für junge Mütter gegründet. Damit unterstützen wir sie dabei, Stigmatisierung entgegenzutreten und das Lernen fortzusetzen
Die APBET-Schulen haben aufgrund begrenzter Mittel und Finanzierung nicht die Kapazität Covid-19-Maßnahmen einzuführen und aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck arbeiten wir aktuell mit einem kleinen Team von Gesundheitshelfer*innen zusammen, die freiwillig jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn die Temperatur der Schüler*innen in sechs Schulen überprüfen. Sie helfen auch dabei, die Lehrer*innen und Schüler*innen zu sensibilisieren, indem sie gemeinsam Hygiene-Maßnahmen von Partnerschulen anschauen.
Wir arbeiten auch daran, die Lesefähigkeiten der Schüler*innen in Mathare durch das Lesen von Märchen und durch Rechtschreibwettbewerbe zu verbessern. Unsere Mentor*innen gehen weiterhin von Tür zu Tür, um wöchentlich Arbeitsblätter zur Wiederholung von Mathe und Englisch auszugeben und bieten Workshops zu Führungsqualitäten, sozialem Wandel und Friedensstiftung an.
Die Bildungskampagne von ONE ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der globalen Lernkrise, von der Millionen von Kindern betroffen sind, auch in vernachlässigten Gemeinden, wie Mathare. Es ist wichtig, dass wir uns auf nationaler und kommunaler Ebene für mehr Mittel und Ausgaben für den Bildungsbedarf einsetzen. Das Kiota-Projekt wird fortgesetzt, während wir versuchen, den Schüler*innen auf die Art zu helfen, die uns zur Verfügung steht und weiterhin sicherzustellen, dass unsere Kinder das Wissen und die Fähigkeiten erwerben, die notwendig sind, um eine nachhaltige Entwicklung in unseren Gemeinden zu fördern. Dabei werden wir inspiriert von den Worten Nelson Mandelas: „Bildung ist die mächtigste Waffe, die wir haben, um die Welt zu verändern“.