Die deutsche Entwicklungsfinanzierung 2019 wird um rund 1 Milliarde Euro gegenüber 2018 erhöht. Dafür haben wir lange gekämpft und es ist durchaus ein Grund zum Feiern! Aber jetzt müssen wir uns natürlich auch dafür einsetzen, dass diese Mittel gut verwendet werden und extreme Armut wirksam bekämpft wird.
Die Vereinten Nationen haben sich das ‘Ende extremer Armut bis 2030’ als erstes ihrer 17 nachhaltigen Entwicklungszielen in der Agenda 2030 gesetzt. Dieses Ziel ist auch unser Leitbild bei ONE. Schön und gut, denkt ihr euch: aber kann dieses Ziel überhaupt erreicht werden? Und wenn ja, wie? Diese Fragen beantworte ich euch im Folgenden.
Was ist extreme Armut überhaupt?
Ein Mensch lebt in extremer Armut, wenn er weniger als 1,70 Euro pro Tag (in seiner lokalen Währung) zur Verfügung hat. In extremer Armut zu leben bedeutet häufig auch keinen Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung, keinerlei soziale Absicherung und häufig auch gesellschaftliche Diskriminierung.
Wo stehen wir im Kampf gegen extreme Armut?
Seit den 90er Jahren hat die Weltgemeinschaft unglaubliche Fortschritte erreicht: die Anzahl der Menschen die in extremer Armut leben hat sich mehr als halbiert. Nur noch ca. 8 Prozent der Menschheit lebt in extremer Armut. Klingt erstmal wenig, aber in absoluten Zahlen leider nicht mehr: 800 Millionen Menschen leben weltweit noch in extremer Armut. Leider machen wir auch nicht mehr so große Fortschritte wie zuvor und extreme Armut ballt sich zunehmend in Subsahara Afrika, vor allem in den am wenigsten entwickelten und fragilen Ländern.
Quelle: Weltbank (2018); Die Welt nach Einkommen: Hohes Einkommen (rot), oberes mittleres Einkommen (rosa), niedriges mittleres Einkommen (hellblau), niedriges Einkommen (blau)
Die Weltbank stellte vor Kurzem die düstere Prognose, dass das Ende extremer Armut bis 2030 nicht erreicht werden kann. Sie schätzt, dass bis 2030 voraussichtlich 400 Millionen Menschen durch Wirtschaftswachstum aus der Armut gehoben werden können – also gerade einmal die Hälfte der Menschen die derzeit in extremer Armut leben.
Ist das Ende extremer Armut also illusorisch?
Mit nichten. Wir wissen jetzt lediglich offiziell, dass Wirtschaftswachstum alleine nicht zum Ende extremer Armut in Subsahara Afrika führen wird (aber das war uns auch schon vorher klar…). Um extreme Armut wirksam zu bekämpfen, müssen vor allem die sozialen Sektoren wie Bildung, Gesundheit und soziale Absicherung ausgebaut werden. Eine Studie des ODIs hat dies kürzlich eindrucksvoll nachgewiesen.
Es ist ja auch relativ logisch: Menschen die in extremer Armut leben sind häufiger von vermeidbaren Krankheiten betroffen, weil sie z.T. in schwierigen hygienischen Bedingungen leben, und sich grundlegende medizinische Versorgung und Medikamente nicht leisten können. Ebenso bleibt diesen Menschen häufiger der Zugang zu einer guten Bildung verwehrt. Beides, eine solide Bildung und ein guter Gesundheitszustand, sind Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und eine aktive Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen. Und natürlich haben sie auch massiven Einfluss darauf, wie produktiv ein Mensch zur Wirtschaftskraft eines Staates beitragen kann.
Leider sind genau diese sozialen Sektoren in den 48 Ländern, in dem der größte Anteil der Menschen in extremer Armut lebt, chronisch unterfinanziert. Die Studie zeigt weiter, dass extreme Armut nur beendet werden kann, wenn diese sozialen Sektoren finanziert werden. Letztendlich kommt sie zu dem Schluss, dass diese Finanzierung gesichert werden könnte, wenn alle OECD Länder sich an ihre Vereinbarung halten würden 0,7 Prozent ihres BNE in Entwicklungsfinanzierung und davon die Hälfte in Bildung, Gesundheit und soziale Absicherung zu investieren. Genau das fordern wir schon lange, zuletzt in unserer Haushalts- sowie MFF-Kampagne. Wenn ihr euch jetzt fragt: ja aber hilft mehr Geld denn wirklich mehr? Beantworten wir euch diese Frage gerne hier.
Dann sind wir ja auf dem richtigen Weg, oder?
Leider nein. Alle Länder einschließlich Deutschland müssen mehr und vor allem besser investieren. Wenn alle OECD DAC Länder 0,7 Prozent ihres BNE für Entwicklungsfinanzierung ausgeben würden, würde dies weitere 184 Milliarden Dollar pro Jahr für ODA zur Verfügung stellen. Wenn unsere Forderung erfüllt wird, dass die Hälfte davon für soziale Sektoren in diesen 48 Ländern ausgegeben wird, könnten damit 94 Prozent der Kosten um extreme Armut zu beenden gedeckt werden. Wir finden, dass Deutschland und die EU hier Vorbilder sein und ihre Vereinbarungen einhalten sollten, damit andere Staaten nachziehen. Leider hat Deutschland die Chance für 2019 verpasst das 0,7 Ziel zu erreichen, aber es ist noch nicht zu spät das vorhandene Geld jetzt besser zu investieren.
Kurz gesagt: ist es möglich, dass das Ende extremer Armut bis 2030 erreicht werden kann? Ja – vorausgesetzt wir lösen unsere Versprechen ein und investieren Entwicklungsgelder auch wirklich gezielt dort, wo sie am meisten benötigt werden.
von Deborah Hosemann, Policy & Advocacy Intern