Wer schützt diejenigen, die andere schützen?
Jedes Mal, wenn sich Evaline Owuor von ihren Kindern verabschiedet und auf den Weg zur Arbeit macht, geht sie ein Risiko ein. Sie ist Gesundheitshelferin im kenianischen Homa Bay County. In ihrer Gemeinde hat sie mitgeholfen, viele Menschenleben vor Malaria zu schützen. Dann kam Covid-19 und Evaline meldete sie sich sofort, um zu helfen.
Persönliche Schutzausrüstung wie Masken und Handschuhe sind in vielen afrikanischen Ländern nur begrenzt verfügbar. Die Sorge, sich durch ihre Arbeit anzustecken und das neue Virus vielleicht an ihre Familie weiterzugeben, begleitet Evaline täglich. Aber sie weiß, dass sie gebraucht wird, um ihre Gemeinde zu schützen. „Jetzt, wo das neue Virus da ist, mache ich zwei Jobs“, sagt sie während sie ihre Maske zurechtrückt. „Zusätzlich zu Malaria muss ich meinen Leuten helfen, der neuen Pandemie zu entgehen.“
Covid-19 trifft auf andere Epidemien
Covid-19 verbreitet sich in Afrika immer schneller und stellt Gesundheitssysteme auf die Belastungsprobe: Zum einen müssen Menschen vor dem neuen Virus geschützt werden. Gleichzeitig gilt es, die Erfolge in der Eindämmung anderer Infektionskrankheiten zu erhalten.
Jüngste Modellstudien von UNAIDS, WHO und der Stop TB Partnership zeigen, dass Covid-19 bedingte Unterbrechungen von HIV-, Tuberkulose- und Malariaprogrammen in nur 12 Monaten fast zu einer Verdoppelung der Todesfälle aufgrund dieser Krankheiten führen könnten. Vor Ort ist dies bereits sichtbar: Eine alle zwei Wochen durchgeführte Umfrage des Globalen Fonds in 106 Ländern weltweit zeigt, dass Gesundheitsdienste für HIV, Tuberkulose und Malaria vielerorts nur mit großem zusätzlichen Aufwand aufrecht erhalten werden können.
Teil der Gemeinden: Lokale Gesundheitshelfer*innen
Joan Got ist leitende Krankenschwester in der Gesundheitseinrichtung in Evalines Heimat. Sie berichtet, dass die Zahl der Menschen, die zu ihr kommen, drastisch zurückgegangen sei. Covid-19, sagt sie, habe die Gesundheitseinrichtung mit einem Stigma versehen und allein deshalb hätten viele Menschen Angst zu kommen. Mit wachsendem Misstrauen gegenüber formellen Gesundheitseinrichtungen, steigt in ländlichen Gemeinden die Bedeutung angelernter, freiwilliger Gesundheitshelfer*innen in den Gemeinden. Das Vertrauen in sie ist über Jahre gewachsen. Vertrauen, das entscheidend ist, um Menschen mit lebensrettenden Tests, Prävention und Behandlung zu erreichen.
Seit Covid-19 vertrauen die Menschen ihre Gesundheit noch mehr als zuvor Gesundheitshelfer*innen aus ihrer Gemeinde an. Ein Trend, der auch aus anderen Regionen Afrikas bekannt ist: Gesundheitsfachkräfte aus Ghana und Gambia, Nigeria und Mali, Sierra Leone und Senegal berichten von derselben Herausforderung. Die Pandemie hat die wichtige Rolle, die lokalen Helfer*innen für die Gesundheit im ländlichen Afrika spielen, noch stärker in den Blick gerückt.
Es sind engagierte Menschen wie Evaline, die im Laufe der Jahre die Eindämmung tödlicher Bedrohungen wie Malaria, HIV und Tuberkulose angeführt haben.
Etwa 1 Millionen solcher Gesundheitshelfer*innen auf Gemeindeebene gibt es in den Ländern, mit denen der Globale Fonds in Afrika zusammenarbeitet. Meist sind es Freiwillige, die ein kleines Gehalt bekommen, um Gemeindemitglieder vor Krankheiten zu schützen. Ihr Einsatz rettet Leben und stärkt die Gemeinschaft.
Nun, da sie unmittelbar mit Covid-19 konfrontiert sind, ist ihr eigener Gesundheitsschutz wichtiger denn je. Nur wenn sie geschützt sind, können sie andere schützen – und einen katastrophalen Rückschlag in der Bekämpfung von HIV, TB und Malaria verhindern.
Vertrauen und soziales Kapital
Lange wurden Gemeindegesundheitshelfer*innen wie Evaline durch das formelle, staatliche Gesundheitssystem nicht akzeptiert. So wurde ihnen beispielsweise häufig nicht zugetraut, Diagnoseschnelltests richtig durchzuführen. Aber mit der Zeit wurden solche Vorurteile abgebaut. Mit Unterstützung von Amref Health Africa zum Beispiel haben seit 2016 lokale Helfer*innen in Kenia 1,4 Millionen Menschen bei Hausbesuchen auf Malaria getestet, 800.000 Fälle behandelt und Malaria-Prävention unterstützt. Hierdurch ist Malaria in Regionen wie Westkenia inzwischen auf dem Rückzug.
Heute profitieren Millionen Menschen von dem Vertrauen und dem sozialen Kapital, das um die Gesundheitshelfer*innen in ihren Gemeinden entstanden ist. Afrikanische Regierungen bemühen sich inzwischen darum, die lokalen Helfer*innen in die Eindämmung der neuen Pandemie in ländlichen Gemeinden einzubinden. Ein neuer Covid-19-Reaktionsfonds der Afrikanischen Union zielt unter anderem darauf ab, eine Million Gemeindearbeiter*innen und -gesundheitshelfer*innen zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen auf dem ganzen Kontinent zu unterstützen. In Südafrika sind 30.000 Helfer*innen von Tür zu Tür gegangen, um Corona-Fälle zu identifizieren – noch bevor die Betroffenen Gesundheitseinrichtungen aufsuchen. In Kenia wurden angesichts steigender Fallzahlen und mangelnder Krankhauskapazitäten mehr als 63.000 lokale Gesundheitshelfer*innen aufgerufen, die häusliche Isolation und Pflegemaßnahmen vor Ort zu unterstützen.
Dringend gebraucht: Schutzausrüstung
Doch überall ist die Sorge groß, dass die Infektionszahlen weiter steigen. Es fehlt an spezifischen Trainings, der Mangel an Schutzausrüstung ist katastrophal. Gesundheitshelfer*innen sind damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich zu infizieren und die Krankheit unbewusst auf andere zu übertragen.
Evaline und ihre Kolleg*innen sind sich einig: Sie brauchen jetzt mehr Schutzausrüstung – bevor sich die Krankheit sprunghaft ausbreitet und sich das Ansteckungsrisiko für sie selbst, ihre Familien und die Gemeinde noch erhöht. „Wenn wir uns schützen können, können wir diese Pandemie besiegen. Leider müssen wir mit wenig auskommen.“
Mit der Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung trägt der Globale Fonds dazu bei, Gesundheitskräfte und Helfer*innen, die sich an „vorderster Front“ engagieren, zu schützen. Das Ziel ist es mehr zu investieren und damit alle diejenigen vor Covid-19 zu schützen, die, wie Evaline, Menschenleben retten.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.