Wohl kaum ein Kontinent hat so sehr damit zu kämpfen, in der Berichterstattung vorwiegend auf Krisen, Kriege und Konflikte reduziert zu werden, wie der afrikanische Kontinent. Dabei hat der unglaublich diverse und zweitgrößte Kontinent der Erde so viel mehr zu bieten. Wir haben für euch die Augen offen gehalten und einen minimalen Ausschnitt der Berichterstattung, die über regierungspolitische innerstaatliche Herausforderungen hinausgeht, in einem kleinen Jahresrückblick kurz zusammengefasst.
Aufräumen mit Klischees: Gegenbeispiel Botswana
Dass das europäische Bild des afrikanischen Kontinents noch immer verzerrt ist, ist kaum von der Hand zu weisen. Und doch kommt es zu Momenten, wo Einem*Einer die Worte fehlen, um dagegen anzukämpfen. Um einen Beitrag zu einem ganzheitlicheren Bild zu leisten, könnte es sich lohnen, Erfolgsgeschichten zu erzählen. Der Spiegel veröffentlichte einen Artikel, der erklärt, warum Botswana westlichen Nationen in nichts nachsteht. Im Gegenteil – der im südlichen Afrika gelegene Staat könne in vielerlei Hinsicht als Vorbild dienen.
Obwohl die Nation bei der Erlangung der Unabhängigkeit 1966 vor vielen Herausforderungen stand, hat das Land diese gekonnt gemeistert – und steht heute bei einigen Dingen besser da als so manch westlicher Staat. Im weltweiten “Corruption Perception Index” von Transparency International belegt Botswana den 34. Platz und schneidet damit besser ab als Polen, Spanien und Italien. Das Gesundheitssystem, das in den USA größtenteils der reichen Bevölkerung vorenthalten ist, ist für die gesamte Bevölkerung Botswanas gratis. Zudem ist der nächstgelegene Gesundheitsposten für 84% der Bevölkerung weniger als fünf Kilometer entfernt – und das in einem Land, das größer ist als Frankreich und zugleich weniger Einwohner*innen hat als Berlin. Auch beim „Demokratieindex“ der britischen Zeitschrift „The Economist“ schneidet Botswana besser ab als Belgien, Tschechien, Polen und Italien. Bei dem Rating waren allem voran Wahlprozesse, die Funktionsweise der Regierung, politische Teilhabe, die politische Kultur und Bürger*innenrechte maßgeblich. Zudem ist Bildung in Botswana bis hin zur Promotion für die allermeisten kostenfrei – ein Modell, von dem beispielsweise die USA, wo die meisten Student*innen ihr Studium mit einer hohen Verschuldung abschließen, meilenweit entfernt ist. Und die Wirtschaft? Botswana hat geschafft, was bisher weltweit vielen anderen Staaten nicht gelang: die wenigen verfügbaren Ressourcen – in Botswanas Fall Diamanten – so gerecht wie möglich unter der Bevölkerung aufzuteilen. Zudem seien alle wichtigen ethnischen Gruppen ungefähr proportional zu dem jeweiligen Bevölkerungsanteil in Botswanas Regierungen und Parlamenten vertreten, so Andreas Wimmer, Professor an der Columbia-University. Laut Keith Jefferis vom botswanischen Thinktank Econsult habe die relativ heterogene Bevölkerung Botswanas zusammenwachsen können. Und das zu einer Zeit, zu der sich Botswanas Nachbarstaaten in der Apartheid befanden. Botswana ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild – und zwar nicht nur für andere afrikanische, sondern ebenso für westliche Staaten.
Kreativ gegen Corona: Wie Subsahara-Afrika der Pandemie trotzt
Auf die wohl am wenigsten vorhergesehene Herausforderung des Jahres 2020 – die globale Ausbreitung des Coronavirus – reagierten einige auf dem afrikanischen Kontinent lebende Menschen mit besonders viel Kreativität und Innovation. Während andernorts mit Angst und Schrecken Hamsterkäufe getätigt wurden, dürften viele Afrikaner*innen in der Herausforderung auch eine Möglichkeit gesehen haben. Schon zu Beginn des Covid-19-Ausbruchs zogen in Südafrika Leute von Tür zu Tür, die eigene Corona-Tests verkaufen wollten, und nutzten die Krankheit als Aufhänger für neue Ideen, um an Geld zu kommen. Doch auch in der Wissenschaft ließ die Kreativität auf dem Kontinent nicht lange auf sich warten. Der Erfindungsreichtum afrikanischer Erfinder*innen reichte von selbstgebauten Beatmungsgeräten in Kenia über automatische Handdesinfektionsspender in Uganda bis hin zu einem kontaktlosen elektrischen Seifenspender in Äthiopien, der durch einen eingebauten Sensor sogar bei Stromausfällen bedient werden kann. Auch künstlerisch wurde Covid-19 umgesetzt: von Lagos bis Nairobi wurden Hauswände zum Thema bemalt. Mable Etambo aus Kibera (Stadtteil Nairobis) erfand sogar einen trendigen Corona-Haarstyle, der an die Abstandsregelungen und das häufige Desinfizieren von Händen erinnern soll. Diese und weitere Beispiele können in diesem Beitrag von der Deutschen Welle nachgelesen werden. Auch in der Welt am Sonntag schrieb Axel Bojanowski am 1.11. über die bemerkenswerten Erfindungen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kamen 120 registrierte Erfindungen zur Pandemie-Bekämpfung aus Afrika. Das ist circa jede Achte von den rund tausend Innovationen, die die WHO bezüglich Corona untersucht hat. Die WHO hat die Kreativität Afrikas in dieser Hinsicht in höchsten Tönen gelobt und zudem auf das vielversprechende Potenzial des Kontinents verwiesen.
Du willst dem afrikanischen Kontinent – wie auch die WHO es getan hat – „Extra-Points for Creativity“ geben? Teile beispielsweise diesen verlinkten Beitrag auf den sozialen Medien und trage zu einem lösungsorientierten und selbstständigen Bild des afrikanischen Kontinents bei.
Baby-Boom bei Kenias Elefanten
Zumindest medial schien sich in diesem Jahr in Bezug auf Afrikas Fauna alles um die größten bekannten am Land lebenden Säugetiere zu drehen: die Elefanten. 2020 habe es in Kenia einen regelrechten Baby-Boom bei den Dickhäutern gegeben. Die Population habe sich laut dem Kenya Wildlife Service seit den 1990er-Jahren sogar verdoppelt. Während 1989 nur mehr 16 000 Elefanten im ganzen Land umherstreiften, wuchs die Zahl bis Ende vergangenen Jahres auf 34 800. Zudem seien auch weniger Elefanten von Wilderer*innen getötet worden: erlagen 2018 noch diesem qualvollen Tod, waren es 2019 34 und im August 2020 bis dahin nur mehr sieben. Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass auch darüber berichte wurde, dass 2020 in Botswana und Simbabwe hunderte Elefanten an Cyanobakterien starben.
Gefahr aus dem Globalen Norden: Fracking
Während in Kenia in Bezug auf die grauen Riesen Erfolge zu verbuchen sind, haben die Elefanten Botswanas und Namibias bald eine Gefahr zu fürchten, die von außerhalb des afrikanischen Kontinents kommt. Wie die Tageszeitung(TAZ) berichtete, will die kanadische Firma ReconAfrica in Kürze mit Öl- und Gaserkundungen in Okavango-Quellgebieten beginnen. Dies stellt nicht nur eine Bedrohung für die größte Elefantenpopulation des afrikanischen Kontinents dar, sondern gefährdet auch die vor Ort lebenden Menschen.
Besonders betroffen sind die San, deren Lebensgrundlage durch Ölerkundungen zerstört wird. Sie wurden schon in der Vergangenheit oft aus auf Naturschutz und kapitalistischen Motiven basierenden Gründen von ihren Lebensmittelpunkten vertrieben und umgesiedelt. ReconAfricas Erkundungspläne schließen auch die Tsodilo Hills mit ein – ein UNESCO-Weltkulturerbe und heilige Stätte der San, die mehr als 4 500 Felsbemalungen beinhaltet. Manche dieser Zeichnungen sind 1200 Jahre alt. Auch die traditionelle Lebensweise der San wird durch die Präsenz der Arbeiter*innen von ReconAfrica und dem, was sie mit sich bringen – Geld, Straßen, Alkohol, Umweltverschmutzung – bedroht.
Der hohe Preis des Naturschutzes
Apropos Naturschutz: mit der offensichtlichen Bedrohung von Menschen und Tieren vor Ort ist noch lange nicht alles gesagt. Im Sinne des Naturschutzes kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen bei der lokalen Bevölkerung, wie Simone Schlindwein in einer Serie in der TAZ berichtet. Finanziert wird der Natur- und Wildtierschutz, der mitunter auch zur prozesslosen Ermordung von Menschen führt, unter anderem von deutschen BMZ– und KfW–Geldern.
Du willst dich für den Schutz des Okavango-Deltas stark machen und Menschen und Tiere vor Ort schützen, indem du dich gegen die Öl- und Gaserkundungen von ReconAfrica aussprichst? Unterzeichne diese Petition!
Du willst etwas über politische Bewegungen und Umbrüche im letzten Jahr auf dem afrikanischen Kontinent erfahren? Wirf einen Blick auf diesen Blogbeitrag, den ersten Teil des Jahresrückblicks!