Weltweit ist die Gesundheitsversorgung von der aktuellen Corona-Pandemie schwer getroffen. Medizinische Leistungen zur Vorbeugung und Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten sind unterbrochen, notwendige medizinische Eingriffe bei Malaria könnten durch die Pandemie wegfallen und insgesamt lastet ein enormer Druck auf Gesundheitssystemen weltweit.
Doch ähnlich wie für den Bildungs– und Beschäftigungssektor, könnte die Pandemie noch größere und übermäßig schlimmere Folgen für die Gesundheitsversorgung von Frauen und Mädchen haben, insbesondere in den Bereichen Geburtshilfe und Verhütung.
Warum das so ist, erklären wir hier.
Die Folgen früherer Epidemien für die Gesundheit von Frauen und Mädchen
2017, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, starben weltweit täglich mehr als 800 Frauen während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt an vermeidbaren Ursachen. Ebenso wurden jedes Jahr mindestens zehn Millionen Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren in Entwicklungsländern ungewollt schwanger. Diese ohnehin schon schlechte Lage könnte sich durch die Corona-Pandemie und den limitierten Zugang zu Ressourcen weiter zuspitzen – mit schrecklichen Folgen für die betroffenen Mädchen und Frauen.
Schon jetzt konnten wir weltweit erleben, wie stark sich die aktuelle Gesundheitskrise sowie Einsparungen im Gesundheitswesen auf die medizinische Versorgung von Müttern und den Zugang zu Verhütungsmitteln auswirken – vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Dort, wo 94 % der Todesfälle während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt auftreten (größtenteils aufgrund von Infektionen, Blutverlust, Bluthochdruck, unsicheren Abtreibungen und anderen zugrunde liegenden Probleme) und wo jedes Jahr ca. 12 Millionen Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren ein Kind zur Welt bringen. Grund dafür ist, dass während einer Gesundheitskrise wie der aktuellen Corona-Pandemie die finanziellen Mittel im Gesundheitswesen umverteilt werden.
Vor der Ebolafieber-Epidemie 2014–2016 war die Müttersterblichkeitsrate in Sierra Leone seit 1990 um mehr als 50 % zurückgegangen und ein „gewisses Niveau der Schwangerschaftsvorsorge war nahezu universell“. Dieser Fortschritt wurde durch die Ebola-Epidemie jedoch zunichte gemacht.
In Sierra Leone, Liberia und Guinea kam es im selben Zeitraum zu einem massiven Anstieg der Müttersterblichkeit, also der Zahl der Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten. Das lag daran, dass Frauen medizinischen Einrichtungen fernblieben – „aufgrund von Quarantäneauflagen oder falschen Vorstellungen vom Virus und seinen Übertragungswegen“. Dies führte letztlich dazu, dass Frauen ihre Kinder zu Hause zur Welt brachten, was deutlich mehr Risiken für die Müttergesundheit birgt, da bei einer Hausgeburt nicht so viele medizinische Eingriffe möglich sind wie bei einer Geburt im Krankenhaus. Im Bereich der Empfängnisverhütung führte die Epidemie in Guinea, Liberia und Sierra Leone zu einem starken Rückgang bei der Verwendung von Verhütungsmitteln und dem Besuch sexualpädagogischer Veranstaltungen.
Doch vor allem wurden während der Epidemie die finanziellen Mittel für die sexuelle und reproduktive Gesundheit umverteilt. Sie wurden nun für die Notfallversorgung eingesetzt, sodass nicht mehr genügend Ressourcen für die notwendige medizinische Versorgung von Frauen zur Verfügung stand.
Angesichts dieser Verhältnisse ging der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen aufgrund der Ebolafieber-Epidemie von „120.000 vermeidbaren Todesfällen von Müttern“ aus.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie könnten noch schwerwiegender sein.
Die Folgen von Corona für die Gesundheitsversorgung von Frauen
Infolge der COVID-19-Pandemie könnten rund 49 Millionen Frauen und Mädchen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben und bis zu 15 Millionen ungewollt schwanger werden, wenn der Lockdown ein ganzes Jahr andauert.
Darüber hinaus sind schwangere Frauen und Mütter kurz nach der Geburt auf verschiedene medizinische Untersuchungen und Eingriffe angewiesen. Doch wenn die Angst um die eigene Gesundheit und die ihres Kindes Frauen daran hindert, eine Klinik oder medizinische Einrichtung aufzusuchen, kann dies erhebliche Folgen haben. Dies trifft insbesondere in von Armut am stärksten betroffenen Ländern zu, wo ohnehin schon 1 von 45 Frauen während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt stirbt.
Infolge der aktuellen Corona-Pandemie wird Frauen der Zugang zur sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung erschwert und die „Lieferung von Verhütungsmitteln verzögert sich“. Darüber hinaus gibt es aufgrund der Corona-Pandemie viel mehr Hausgeburten. Das birgt zahlreiche Risiken für die Mutter und ihr Kind. Die aktuellen Kürzungen bei der Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe könnten dazu führen, dass 113.000 Frauen während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sterben – vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Diese Zahl könnte durch die Corona-Krise drastisch ansteigen. Schon 2017, also vor der Pandemie, entfielen 86 % der Todesfälle von Frauen während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt auf Afrika südlich der Sahara und Südasien.
Doch wenn Regierungen und Staatschefs jetzt entschlossen handeln, können diese Folge abgemildert werden.
Die Gesundheitsversorgung von Müttern muss Priorität haben
Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die medizinische Versorgung schwangerer Frauen und die Müttersterblichkeit zu mindern, muss die Politik weltweit dafür sorgen, dass die Müttergesundheit priorisiert behandelt wird. Dies erfordert Investitionen in das Gesundheitssystem, um einerseits angemessen auf die Corona-Pandemie reagieren zu können und andererseits die notwendigen Mittel für die Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe zur Verfügung stellen zu können. Nur so wird sichergestellt, dass werdende Mütter die medizinische Versorgung erhalten, die sie benötigen, und jeder Mensch weltweit die Corona-Pandemie überleben kann.