Vor über zwei Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) COVID-19 zu einer weltweiten Pandemie erklärt. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass sechs Millionen Menschen an dem Virus gestorben sind; eine aktuelle Analyse der Universität Washington schätzt sogar, dass die Zahl der Todesopfer dreimal so hoch ist. Und dennoch sind in Ländern mit niedrigem Einkommen nur 13 % der Menschen vollständig gegen COVID-19 geimpft. Die “To-do”-Liste zur weltweiten Beendigung der Pandemie ist lang, aber mit konzertierten, koordinierten und nachhaltigen Bemühungen in fünf Schlüsselbereichen können wir es schaffen. Jedes der folgenden Elemente fußt auf den Grundsätzen der Gerechtigkeit.
1. Den globalen Bedarf an Impfungen decken
Das WHO-Ziel, 70 % der Bevölkerungen in allen Ländern zu Impfen, wird derzeit erneut diskutiert. Auch wenn es sinnvoll ist, eine Überarbeitung des Ziels in Erwägung zu ziehen, ist die Welt nicht in der Lage, diese Zahl auch nur annähernd zu erreichen – insbesondere nicht in Ländern mit niedrigem Einkommen. Zum jetzigen Zeitpunkt muss zunächst die Nachfrage gedeckt und ein universeller Zugang zu Impfstoffen gewährleistet werden. Hierfür braucht es a) einen universellen und transparenten Impfstoff-Tracker, b) die Zuweisung von bis zu 20 % des weltweiten Angebots an zugelassenen Impfstoffen an die internationale COVID-19-Impfstoffinitiative COVAX und die Initiative der Afrikanischen Union, AVAT, c) die Koordinierung und Aufstockung der Mittel für die Bereitstellung der Impfstoffe und d) die Entwicklung eines langfristigen Plans für die Bereitstellung von Auffrischimpfungen.
2. Das Virus in den Griff bekommen
“Mit dem Virus leben” funktioniert nur, wenn alle über die notwendigen Instrumente verfügen, um mit dem Virus umzugehen. Viele dieser Instrumente können ebenfalls zur Bekämpfung anderer Krankheiten und für Anforderungen der öffentlichen Gesundheit nützlich sein. Hierzu gehören a) die generelle Stärkung von Gesundheitssystemen, b) eine nachhaltige Finanzierung von Tests und Diagnostika, c) das Füllen von Datenlücken und d) Therapeutika weithin verfügbar zu machen.
3. Das Problem des Zugangs zu Medikamenten lösen
Zwei Jahre nach Ausbruch der Coronapandemie ist es offensichtlich, dass “business as usual” nicht funktioniert hat. Die globalen Handelsbedingungen schränken zum Beispiel Maßnahmen ein, die einen besseren Zugang zu Impfstoffen und anderen medizinischen Gegenmaßnahmen ermöglichen könnten, während die weltweite Produktion ungleichmäßig verteilt ist. Es ist entscheidend, die richtigen Regeln zu finden und für die Zukunft vorzusorgen. Hierzu gehört a) eine vorübergehende TRIPS-Ausnahmeregelung, b) eine Ausweitung der Forderung nach freiwilligen Lizenzen und der Erwägung von Zwangslizenzen und c) die geografische Diversifizierung der Produktion von Therapeutika.
4. Eine wirklich globale wirtschaftliche Erholung fördern
COVID-19 könnte die Welt bis 2024 14 Billionen Dollar kosten. Am stärksten sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auf dem afrikanischen Kontinent zu spüren, der mindestens 285 Milliarden Dollar benötigt, um auf die Pandemie zu reagieren und eine Erholung einzuleiten. 23 afrikanische Länder sind von einem Staatsbankrott betroffen oder stark gefährdet. Die Kosten für den Schuldendienst werden zudem steigen, wenn die US-Notenbank die Zinssätze erhöht. Denn dies schwächt die heimischen Währungen und erhöht das Risiko von Zahlungsausfällen und Schuldenkrisen. Zudem bedrohen die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den weltweiten Wirtschaftsaufschwung – insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die von den russischen und ukrainischen Weizenmärkten abhängig sind.
Drei unmittelbare Schritte können die gegenwärtigen Tendenzen zu dem, was der IWF als eine sich verschlechternde zweigleisige Erholung bezeichnet, umkehren und die Weichen für mehr wirtschaftliche Kohärenz und Stabilität schaffen: a) Sofortige Maßnahmen zum Recycling von Sonderziehungsrechten, b) dringende Maßnahmen gegen die „Schattenpandemien“ und c) die Verhinderung einer drohenden Schuldenkrise. An allen drei Fronten ist der Ansatz der G20 entscheidend. Die G20 müssen sich von einer primären Konzentration auf ihre Mitglieder, verbunden mit bescheidenen Initiativen für die ärmsten Länder, hin zu einem Ansatz bewegen, der die Weltwirtschaft für alle Länder besser funktionieren lässt.
5. Vorbereitung auf das nächste Virus
Auch die “To-do”-Liste für die Pandemievorsorge ist lang, und die Lücken in unserer derzeitigen Architektur (Institutionen, Finanzierungsmechanismen, internationale Gesundheitsvorschriften, wissenschaftliche Fähigkeiten und Rechts-, Regulierungs- und Handelssysteme) wurden bei dieser Pandemie deutlich aufgedeckt. All diese Bereiche bedürfen der Überprüfung und während ein substanzieller und tragfähiger internationaler Pandemievertrag ein Weg für die Zukunft sein kann, können folgende unmittelbare Schritte nicht warten: a) Neue Regeln für Pandemien und Epidemien, b) eine vollständige Finanzierung der Pandemievorsorge, c) ein bei der WHO angesiedeltes Schnellreaktionssystem und d) die Überwachung und genomische Sequenzierung.