„Tage“, „Regel“, „Periode“ oder auch „Erdbeerwoche“ – wir haben mittlerweile eine Menge Synonyme eingeführt, um das Wort „Menstruation“ nicht mehr in den Mund nehmen zu müssen. Meiner Meinung nach: ein fataler Fehler. Denn es vermittelt Mädchen und Frauen ein falsches Gefühl von Scham und hindert uns daran, Probleme die mit der monatlichen Blutung einhergehen ganz rational anzugehen.
Wir lernen schon im Biologieunterricht, dass Menstruation ein ganz normaler biologischer Prozess, sogar ein Zeichen reproduktiver Gesundheit ist und trotzdem haben wir Hemmungen darüber zu reden. In vielen Kulturen wird die monatliche Blutung sogar traditionell als etwas Negatives, Dreckiges und Beschämendes betrachtet. Das Thema wird tabuisiert und Frauen die ihre Tage haben werden stigmatisiert.
Wenn man da so an seine eigene Erfahrung denkt – was für ein Schock es trotz Biologieunterricht doch noch ist, zum ersten Mal und völlig ohne Vorwarnung seine Tage zu bekommen und wie viele unangenehme Moment es gab, in denen man sich fragte, ob es gerade eine gute Idee ist aufzustehen, oder man doch besser sitzen bleiben sollte – dann kann man sich ungefähr vorstellen, was Frauen in Entwicklungsländern in dieser Zeit des Monats erleben.
Welche Probleme schafft die Periode?
Da das Thema Menstruation in vielen Ländern und Kulturen nicht offen diskutiert wird, wissen Mädchen und Frauen oft nicht, was in ihrem Körper vorgeht und wie sie damit umgehen sollen. Viele Mädchen haben noch nie von Menstruation gehört, bis sie sie das erste Mal bekommen und wieder andere halten es für eine Krankheit. Im schlimmsten Fall wird ihnen von der Gesellschaft sogar vermittelt, dass die Blutung eine Art göttlichen Zorns darstellt.
Gleichzeitig haben Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern häufig keinen Zugang zu privaten Toiletten, sauberem Wasser oder Seife und keine Möglichkeit, sich mit Hygieneartikeln wie Tampons und Binden zu versorgen. Dadurch wird ihnen eine angemessene persönliche Hygiene unmöglich gemacht. Sie müssen sich mit Lappen, Blättern und anderen Notlösungen behelfen.
Das bringt nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Probleme mit sich. Insbesondere in gesellschaftlichen Kontexten wie z.B. der Schule schämen sich Mädchen, die ihre Tage haben, deshalb massiv und werden teilweise aktiv vom sozialen Leben ausgeschlossen. So haben beispielsweise 83 Prozent aller Schülerinnen in Burkina Faso nicht die Möglichkeit in der Schule ihre Binden (oder was sie eben zum Auffangen des Blutes verwenden) zu wechseln.
Es wurde festgestellt, dass der Beginn der Periode dazu führt, dass viele Mädchen die Schule verlassen, oder zumindest während ihrer Tage zuhause bleiben und so im Stoff zurückfallen. Die schlichte Tatsache, dass Mädchen menstruieren, führt also häufig dazu, dass sie ihre Bildung nicht wie ein Junge verfolgen können.
Wir müssen reden!
Das Verrückte ist, dass es sich hierbei technisch wirklich um eines der einfacheren Probleme der Entwicklungspolitik handelt. Und es betrifft etwa die Hälfte der Weltbevölkerung – warum also diese Berührungsängste?
Es wird wohl von Vielen noch als Thema für Feministinnen, vielleicht auch als läppisch abgetan (man denke nur an das häufig dahingeworfene „Hast du deine Tage, oder was ist los?“, was definitiv eingemottet gehört!). Menstruationshygiene (MHM) wird wahrscheinlich noch auf absehbare Zeit ein gewisses Unwohlsein in der öffentlichen Debatte hervorrufen. Doch langsam, aber sicher kann man den Silberstreif am Horizont erkennen.
So hat WASH United zum Beispiel in diesem Jahr den ersten weltweiten Tag der Menstruationshygiene ausgerufen, um das Schweigen rund um dieses Thema zu brechen und weltweit der Erkenntnis zum Durchbruch zu verhelfen, dass die monatliche Blutung tatsächlich ein Zeichen guter Gesundheit ist. Auf der ganzen Welt haben Zivilgesellschaftliche Organisationen, Regierungen, Studentengruppen und Selbsthilfegruppen Veranstaltungen rund um das Thema MHM organisiert. WaterAid hat beispielsweise Überlegungen angestellt, wie es wohl wäre, wenn Männer ihre Periode bekämen und dazu direkt den Manpon entwickelt.
Gute Neuigkeiten!
Gleichzeitig gibt es insbesondere in den Entwicklungsländern tolle Ansätze sozialer Unternehmer, die es sich zum Ziel gemacht haben allen Frauen, egal wo sie leben, einen würdevollen und hygienischen Umgang mit ihrer Monatsblutung zu ermöglichen.
So gibt es mittlerweile Initiativen und soziale Unternehmen wie Jayaashree Industries (Indien), SHE (Ruanda), ZanaAfrica (Kenia) und AfriPads (Uganda) uvm., die die lokale Produktion von erschwinglichen Menstruationspads fördern und dadurch auch Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig Aufklärung leisten.
Das deutsche Unternehmen Ruby-Cup verfolgt umgekehrt den Ansatz, Menstruationstassen in Deutschland zu verkaufen, und für jede hier verkaufte Tasse, eine an bedürftige Mädchen beispielsweise in Kenia auszugeben. Maxie Matthiessen von Ruby Cup würde sich wünschen, dass auch große Entwicklungspartner wie Regierungsorganisationen oder UNICEF von Binden auf Menstruationstassenumstellen würden, denn die ökologischen Vorteile sind enorm.
Es ist insbesondere diese zunehmende Vielfalt von Akteuren, die sich mit dem Thema Menstruation beschäftigen, die Ina Jurga von WASH United so optimistisch macht. Das wichtigste sei, dass das Thema endlich in den Köpfen der politischen Entscheider ankomme und in den letzten Jahren habe das Thema eine wahnsinnige Dynamik entfaltet. Sie würde sich wünschen, dass sich noch mehr prominente Fürsprecher für wie z.B. Hillary Clinton für das Thema MHM stark machen, um noch mehr Aufmerksamkeit zu schaffen.
Auf der technischen Seite ist die allererste Priorität, dass Frauen und Mädchen Zugang zu privaten und sicheren Toiletten bekommen – damit wäre ein wichtiger erster Schritt getan. Gleichzeitig mangelt es noch an Daten rund um das Problem Menstruationshygiene in Entwicklungsländern. Im Idealfall wird die Problematik MHM bald in allen entwicklungspolitischen Vorhaben mitgedacht – Du baust eine Schule? Sehr gut! Denk an die getrennten Toiletten!
Im Kern handelt es sich um eine Verletzung der Menschenrechte, wenn es armen Frauen und Mädchen, die ihre Tage haben, nicht ermöglicht wird eine ausreichende persönliche Hygiene zu verfolgen und ganz normal am gesellschaftlichen Alltag in ihrer Familie, ihrer Schule oder auch an ihrem Arbeitsplatz nachzugehen. Es ist eine Frage der Würde und der Gleichberechtigung und es ist absolut zentral, dass wir alle endlich anfangen offen über das Thema zu reden und insbesondere Jungen und Männer ins Boot zu holen. Denn das Schweigen verhindert, dass wir Probleme lösen – und Probleme die nur Frauen betreffen einfach zu ignorieren, ist eben auch Diskriminierung!
Vielen Dank an die Kollegen von WASH United, dass wir ihre tollen Bilder nutzen durften.