Katja Riemann, eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen, setzt sich schon seit Jahren tatkräftig für die Ziele von ONE ein. Insbesondere im Rahmen der Kampagne ‘Armut ist sexistisch’ macht sie sich für die Rechte von Frauen und Mädchen stark und spricht sich gegen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in der Welt aus. Deshalb freuen wir uns besonders, ihr zu Beginn des neuen Jahrzehnts – quasi auf der Zielgeraden zum Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele – unsere 5 Fragen zu Feminismus stellen zu können.
Warum brauchen wir im Jahr 2020 Feminismus?
Weil wir in den Jahren 0 bis ins 20. Jahrhundert hinein ohne Feminismus auskommen mussten, was unterm Strich niemandem gut getan hat.
Welche/r Politiker*in ist in der Lage wirkliche Veränderungen für Frauen und Mädchen weltweit zu bewirken?
Ich kenne nun wirklich nicht alle Politiker weltweit, aber wenn eines Tages Michelle Obama oder Alexandria Ocasio-Cortez erste Präsidentin der USA werden, wären sie vielleicht in der Position weltweit etwas zu bewirken. Oder falls Chimamanda Adichie beabsichtigen sollte, in die Politik zu gehen. Ich glaube, die Frage ist nicht: Wer bewirkt wirkliche Veränderung? Denn alles ist gelegt, um etwas zu ändern, es ist da, es gibt nur so viele Einflüsse und Lobbyisten, Korruption, Diktatoren, Parteien und Bewegungen, die diese aufhalten und verhindern.
Was kann die deutsche Regierung Ihrer Meinung nach tun, um die Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern?
Ich glaube, dass wir es sind, die etwas tun müssen, wir einzelnen Männer und Frauen. Die Abgabe der Verantwortlichkeit für sein eigenes Leben an die Macher des demokratischen Staates ist eine sehr bequeme Position, aus der heraus es sich immer gut über die anderen schimpfen lässt und das eigene Licht macht man ganz klein, um möglichst keine Verantwortung zu übernehmen. Deutschland ist sehr verschieden. Über welches Deutschland sprechen wir? Das in der Stadt oder auf dem Land, im Osten oder Westen, mit oder ohne Vater, mit oder ohne Ausbildung? Mann oder Frau? Wähler oder nicht Wähler? Zyniker oder nicht?
Die Quote ist sicherlich ein guter Start, um jungen Frauen Motivation zu geben, sich zu trauen. Die #metoo Kampagne hat einiges bewegt, zumindest stehe ich unter dem Eindruck, dass in amerikanischen und englischen Produktionen dadurch etwas passiert ist, in Sachen Besetzung, auch wenn im letzten Jahr von 266 Hollywood-Produktionen es lediglich sechs weibliche dops, also Directors of photography, also Kamerafrauen gab. Wir brauchen die Vorbilder für die nächste Generation. Ich bemühe mich, eines zu sein oder zu werden. Aber man muss dazu nicht prominent sein, um als Vorbild zu fungieren. In jeder Familie oder jedem Unternehmen, jedem Job ist das möglich. Ganz sicherlich hilft Respekt. Das gegenseitige Beschimpfen und die aufbrausende Empörungskultur, die mit Herablassung, Abwertung und Voreingenommenheiten bzw. Vorurteilen daherkommt, ist nicht hilfreich, um nachhaltig etwas in Sachen Geschlechtergerechtigkeit zu bewegen. Vor Kurzem sah ich eine Übersicht der Top 10 Länder, in denen für Geschlechtergerechtigkeit am meisten erreicht wurde. Da stehen, nicht überraschenderweise, die skandinavischen Länder ganz vorn. Island, Norwegen, Finnland, Schweden. Aber dann ist da auch Spanien darunter und auf Platz 10 Deutschland. Da habe ich mich wirklich gefreut, denn in Island gibt es eine Bevölkerung von 350.000 und in Deutschland von fast 84 Millionen Menschen.
Was Politik aber gestalten könnte, wäre vielleicht die Einführung eines Datums, ab dem Männer und Frauen in Deutschland für dieselbe Arbeit auch dasselbe Geld erhalten. Utopisch? Bleibt die Frage, wie sich die Situation von Frauen und Mädchen in Asien und Afrika langfristig verändert…
Was ist Ihr erster Ratschlag für Menschen, die sich für Frauen und Mädchen weltweit einsetzen?
Na, die sich einsetzen, denen muss man ja nichts mehr raten, die haben sich ja schon was ausgedacht. Alle anderen könnten damit anfangen, sich mal einen Überblick über die weltweite (!) Situation von Mädchen und Frauen zu verschaffen. Ist numerisch immerhin die Majorität, befürchte ich. Ich glaube daran, dass menschenrechtliche Arbeit immer mit einem Bewusstsein beginnt.
Wir stehen noch vor einem langen Weg, bis wir Geschlechtergerechtigkeit erreicht haben. Was ist Ihrer Meinung nach der erste Schritt, um alle Barrieren für Frauen und Mädchen zu beseitigen?
Wir müssen aufhören, Kriege zu führen, das führt doch nirgendwo hin. Die Dollar, die dafür verbrannt werden, wären woanders viel besser und konstruktiver aufbewahrt. Männer und Frauen könnten sich gegenseitig respektieren, das kann ja wohl nicht so schwer sein. Der Frauenhass ist aber in den monotheistischen Gottesbüchern verankert. Die müsste man vielleicht neu schreiben, wie wäre das denn, als erster Schritt.
Und ich glaube, es ist sinnvoll, miteinander zu sprechen, sich zu beziehen, zuzuhören, ohne gleich auszuflippen. Sich zu öffnen, bestehende Voreingenommenheiten zu eleminieren, beidseitig. Wenn wir uns auf die human rights declaration beziehen würden, dann ist das wahrscheinlich der erste beste Schritt, da steht alles drin.